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Nicht ohne meinen Mops

Nicht ohne meinen Mops

Titel: Nicht ohne meinen Mops
Autoren: Silke Porath
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stehen sie. Sieben prachtvolle Bände. Hochglanz. Lackierter Einband. Und anatomische Zeichnungen bis in den kleinsten Nerv. Am liebsten würde ich alle sieben Bände zu einem der Tische tragen, aber das wäre zu gierig. Und zu schwer. Also schleppe ich Band eins und zwei zum Leseplatz und bin Minuten später versunken. Tief versunken. So tief, dass ich erst wieder zu mir komme, als mein Magen laut zu knurren beginnt.
    »Sie haben ja heute gar keine Mittagspause gemacht«, meint Blüslein und verabschiedet mich mit einem besorgten Blick in den schon dunklen Abend. Am liebsten hätte ich ihr vom Sauerbraten und der Limo erzählt – aber ich wette, sie hat keinen Arne zu Hause, der auf sie wartet. Beim Gedanken an gestern Abend wird mir flau im Magen. Angenehm flau.
    So beflügelt, beschließe ich, einen kleinen Umweg zu machen, und schaue bei meiner Hausbank vorbei. Der Kontoauszugsdrucker schluckt vorschriftsmäßig die Karte. Ich gebe vorschriftsmäßig meine PIN ein (die ich mir erst nach anderthalb Jahren merken konnte). Und dann warte ich auf den ordnungsgemäßen Ausdruck. Gibt es ein Hartz IV-Weihnachtsgeld? Ein paar Euronen extra für die Arbeitslosen, damit die sich vom 13. Monatsgehalt einen Gänsebraten zum Fest der Liebe leisten können? Ich könnte eine Finanzspritze mehr als dringend brauchen. Aber als der Automat schließlich die zwei bedruckten Blättchen und meine Karte ausspuckt, ist der Traum vom Weihnachtsgeld ausgeträumt. Würde der Drucker nicht nur in schwarzweiß, sondern in Farbe drucken, dann würde mein Kontostand in Rot leuchten. Technicolor-Rot. Scheiße. Und die nächste Zahlung kommt erst im Januar. Verdammt. Wie soll ich den Jungs ein Geschenk machen? Soll ich einen alten Pullover aufribbeln und wie eine Trümmerfrau einen neuen daraus stricken, um ihn Arne, verpackt in Zeitungspapier, unter den Baum zu legen?
    Nach einer Schreck-Zigarette (scheiße, wovon soll ich Kippen kaufen?) taucht vor meinem inneren Auge eine Telefonnummer auf. Die Nummer für Tanjas Kummer! Ich fummele noch im Vorraum der Bank mein Handy aus der Tasche (verflucht, wie soll ich mein Guthaben aufladen?) und hacke auf die Tasten. Tante Trude muss helfen!
    Tut.
    Tuuuut.
    Tut. Tut. Tuuuut.
    Nichts. Ich wähle noch einmal. Wieder nur ein Tuten. Endlos. Tante Trude ist nicht da. Nein, Tante Trude geht so spät am Nachmittag – fast schon mitten in der Nacht für die dörflichen Verhältnisse – nicht aus dem Haus. Ob etwas passiert ist? Die Nachbarin schaut jeden Tag nach ihr. Mist. Ich habe deren Nummer nicht. Aber sie hätte meine …
    Automatisch lenke ich meine Schritte nach Hause. Für einen kurzen Moment überlege ich mir, ob ich mir einen Cappuccino double latte to go kaufen soll. Aber das lasse ich lieber, für das Geld bekomme ich zwei Packungen Toastbrot. Und das macht satter als Kaffee. Gleich nach 20.15 Uhr muss ich Tante Trude noch einmal anrufen. Vorher geht nicht, denn wer Trude bei der Tagesschau stört, der braucht nie wieder anzurufen. Geschweige denn, dass sie ans Telefon geht: Wenn Jan Hofer und Kollegen ihre tägliche Viertelstunde schlechte Nachrichten aus aller Welt verbreiten, dann ist Tante Trude nicht erreichbar. Für nichts und niemanden und schon gar nicht für eine Nichte, die um eine Finanzspritze bettelt.
    Hatte das Treppenhaus heute früh auch schon so viele Stufen? Himmelpopoundnähgarn! Als ich endlich vor der Wohnung stehe, bin ich völlig aus der Puste. Einen Moment lang überlege ich, bei Arne zu klingeln. Ich lausche an seiner Tür. Alles ist still. Wahrscheinlich ist er nicht zu Hause. Schade, ich hätte nichts gegen ein Glas Fanta und einen Kuss. Einen Arnekuss.
    Geküsst wird stattdessen auf unserer Couch. Rolf und Chris hocken eng umschlungen auf dem Plumeau, Earl zu ihren Füßen.
    »Schmeckt’s?«, frage ich und pfeffere meine Handtasche auf den Boden. Die Schuhe fliegen hinterher und hinterlassen dreckig braune Schmierstreifen auf den Fliesen. Meine Jungs fahren auseinander und sehen mit mich großen Augen an.
    »Hallo, Tanja«, nuschelt Rolf kleinlaut.
    »Mahlzeit!«, brumme ich und verziehe mich in mein Zimmer. So viel Geknutschte kann ich im Moment nicht ertragen. »Lasst euch nicht stören!«
    Earl kläfft leise und ich höre, wie die Jungs sich in die Küche verziehen. Wehe, die steigen jetzt gemeinsam unter die Dusche! Aber auch das ist nicht mein Hauptproblem. Vor meinem geistigen Auge blinken rote Zahlen. Weihnachtsmannmantelrote Zahlen. Mist. Trude ist nicht zu
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