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Nicht menschlich Inc.

Nicht menschlich Inc.

Titel: Nicht menschlich Inc.
Autoren: Stephanie Linnhe
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beschlagene Fensterscheibe.
    Dann rutschten seine Daumen nach unten und zogen Linien durch die milchige Fläche. Ich runzelte die Stirn und wollte nachsehen, was mit ihm los war, als ich Schritte hörte. Sie hallten in den leeren Straßen Camlens, als würde jemand den Ton mit technischem Equipment für einen Film aufbereiten.
    Und sie kamen auf mich zu.
    Ich verdrängte den Gedanken an die Faxen meines Vaters, drehte mich um und hatte dabei das Gefühl, als würde ich mich zu langsam bewegen. Viel zu langsam für den dunkelhaarigen Mann, der sich näherte, denn ich hätte ihn mir schon viel früher ansehen sollen. Jeder Sekundenbruchteil, in dem ich versäumt hatte, ihn anzustarren, war vergeudet.
    Wow.
    Ich vergaß das Auto, die einsame Straßenecke, das entfernte Summen der fetten Flugschabe und selbst meine Nervosität. In Windeseile brannte sich das Bild der kinnlangen, braunen Haare sowie eines hellwachen Blicks aus von dunklen Wimpern umkränzten Augen in mein Inneres. Grün? Blau? Ich konnte ihre Farbe aus der Entfernung nicht erkennen, aber sie glitzerten mir entgegen. Die dunklen Schatten unter ihnen, bei anderen lediglich ein Zeichen von zu wenig Schlaf, verliehen ihrem Besitzer einen Hauch von Geheimnis und vielleicht auch Gefahr. Er war größer als ich, aber kein Riese, und besaß ein freundliches, sehr offenes Gesicht. Unwillkürlich beugte ich mich vor, um mir keine seiner Bewegungen entgehen zu lassen. Sie wirkten geschmeidig, ein wenig spielerisch, so als machte es ihm Spaß, sich zu bewegen.
    Natürlich hatte er Spaß daran, seinen Körper zu benutzen. Das hätte ich auch.
    Wenn er der Mitarbeiter von ABM war, der mich abholen sollte, so liebte ich diese Firma jetzt schon.
    Er lächelte.
    Ich ignorierte das kurze Straucheln meines Herzens, immerhin ließ so das Klopfen in der Brust kurz nach. Wie eine Idiotin lächelte ich zurück und wollte mich gerade räuspern, um eine halbwegs verständliche Begrüßung hinzubekommen, als etwas in meinem Sichtfeld auftauchte.
    Ein dunkler Punkt, der rasch größer wurde und mir nach und nach die wundervolle Aussicht nahm.
    Der Käfer krachte mit voller Wucht in mein Auge. Ich taumelte zurück, kreischte und merkte, wie ich fiel, die Arme wild zappelnd nach oben ausgestreckt wie eine übergroße Imitation meines ekeligen, todesmutigen Angreifers. Irgendetwas – irgendwer? – berührte meine Finger .
    Dann wurde alles um mich herum schwarz.

4
    Einstiegshürden
     
     
     
    A ls ich aufwachte, war mein Gedächtnis noch immer auf den Augenblick vor meiner Ohnmacht programmiert. Ich stieß einen kleinen Schrei aus, presste die Augen fest zusammen und tastete an meinem Gesicht herum. Erleichtert stellte ich fest, dass kein widerwärtiger, zappelnder, sechsbeiniger Leib in meiner Augenhöhle steckte. Erst dann konzentrierte ich mich auf meine Umgebung.
    »Pa?«
    Er musste das Ganze beobachtet haben und war mir sicher zu Hilfe geeilt. Schon blöd, wenn man in meinem Alter noch nach seinem Vater rief, sobald man aus einer Ohnmacht erwachte. Nach diesem ganz speziellen Knock-out hatte ich jedoch ein gutes Recht darauf, Hilfe und Beistand von meinem biologischen Leitwolf zu fordern.
    Jedoch antwortete nicht er mir, sondern das leise Gemurmel mehrerer Stimmen. Ich spitzte die Ohren und versuchte, etwas Bekanntes herauszufiltern, doch ohne Erfolg. Lautlos seufzte ich. Es half wohl nichts, ich musste die Augen aufschlagen. Dabei hatte ich wirklich Angst davor. Was, wenn das eine etwas abbekommen hatte und ich nicht mehr richtig sehen konnte? Wenn es ein eklig-schmatzendes Geräusch von sich gab, während ich es öffnete? Hatte ich vielleicht mit nur einem Auge größere Chancen auf dem Arbeitsmarkt, weil ich dann zu den Minderheiten zählte, die gefördert werden mussten?
    Das Murmeln wurde lauter. Irgendwo schrillte ein Telefon und drängelte seinen Besitzer, endlich abzunehmen. Ich ließ mir Zeit und öffnete zunächst das rechte Auge, von dem ich wusste, dass es nicht das Ziel des biestigen Insekts gewesen war.
    Einen Atemzug lang sah ich die Welt um mich herum wie durch eine regennasse Glasscheibe, doch sie klärte sich und gab Konturen frei. Ich erkannte eine weiße Fläche, dann einen Arm, der von dunklem Stoff umhüllt war. Das Erste sprach für ein Krankenhaus, das Zweite gegen einen Arzt. Ich wagte es, mein Auge zu reiben. Das allein reichte aus, um Unruhe in den gleichförmigen Teich aus Gemurmel zu bringen. Die Stimmen setzten aus und sofort wieder ein, nun
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