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Nicht lecker, aber Weltrekord

Nicht lecker, aber Weltrekord

Titel: Nicht lecker, aber Weltrekord
Autoren: Katinka Buddenkotte
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auf seinen Wunsch hin dort an der Decke hing und von seiner Freundin nur während der Verlobungszeit geduldet wurde. Na ja, das wäre dann wohl ab Donnerstag Geschichte. Dann würde Marc mit C mit ihr zusammenziehen und das Poster in den Keller wandern. Marc würde dann in einem ordentlichen Schlafzimmer einschlafen, Windlichter mit farblich abgestimmtem Deko-Sandwürden die knuffige Herzchenlampe zusätzlich betonen, denn seine Frau wäre bestimmt eine von denen, die bei Wohnungsbesichtigungen gern Sätze von sich geben wie: »Wir sind ja totale Fans von indirektem Licht geworden.« Partnerinnen von Marcs mit C sind einfach so. Sie heißen Nina und wollen Kinder, die sie Fynn und Aurelie nennen, um ihre sonstigen Mankos auszugleichen.
    Und plötzlich fand ich, mit meiner körperlichen Anwesenheit und Mitarbeit ein gutes Werk vollbracht zu haben, und wollte, dass Marc mit C sich dessen auch bewusst war.
    »Was macht denn deine Freundin heute Abend?«, fragte ich in seine Brusthaarstoppeln.
    »Meine was? Oh, die macht das Gleiche … Ich meine, die ist mit ihren Freundinnen unterwegs. – Du, ich mach mal Licht aus, ich muss pennen, okay?«
    Marc mit C schlief sofort ein. Ich glaube, das war der einzige Fall von echter Narkolepsie, den ich je beobachten durfte. Ich beobachtete ihn allerdings nicht lange, sondern stand auf, zog mich an und ging nach Hause.
    Jahre später erst traf ich Marc erneut, in demselben Laden, in dem wir uns begegnet waren. Die Musik war diesmal nicht so laut, und im Vorbeigehen hörte ich, wie er einer kleinen Blonden etwas von »Junggesellenabend« zuraunte. Es war der 2. Februar 2002. Die Blonde lächelte Marc mit C an, ich warnte sie nicht. Herrje, die Nummer war so abgeschmackt – selbst schuld, wenn sie darauf reinfiel. Außerdem musste man bedenken, dass Marc mit C wahrscheinlich erst wieder am 3. 3. 2003 zum Schuss kommen würde, wenn er bei dieser Masche blieb.

Unser Leben war hart
    Unser Leben war hart, aber dreckig. Wer es bis in unsere Küche schaffte, blieb dort, bis die Party zu Ende war oder er sein eigenes Zimmer übernehmen konnte. Des Nachts hockten wir oft zusammen und überlegten, wer unsere WG eigentlich gegründet hatte, aber auch der Ältestenrat konnte die Geschichte ihrer Mieter und Untermieter nur bis ins Jahr 1985 lückenlos zurückverfolgen. Einige archäologische Funde hinter der Holzverkleidung erhärteten jedoch den Verdacht, dass schon lange vor unserer Zeit kommunales Leben in der Oberbilker Allee 23 geherrscht haben musste. Die Dose Nasi-Goreng, die wir aus dem Flöz unter der Spüle zu Tage förderten, schickten wir zur Untersuchung an die Uni Düsseldorf. Deren Analyse bestätigte, was wir bereits vermutet hatten: Die Konserve stammte von Aldi, ihre Rezeptur war in den frühen Siebzigern verboten worden, und es wurde uns dringend empfohlen, keine weiteren fossilen Lebensmittel aus der Wand zu entfernen, da es sich bei ihnen um tragende Elemente handeln könne.
    Fortan verzichtete unser Stamm also auf in die Tiefe gehende Renovierungsarbeiten. Wenn uns etwas störte,hängten wir etwas anderes darüber. Lange diskutierten wir, ob der Anblick eines Schimmelfleckes ekelerregender war als der des David-Hasselhoff-Starschnitts, der ihn auf fast magische Weise perfekt abdeckte. Als wir zu keiner Einigung kamen, schlossen wir das betreffende Zimmer ab. Bei uns wurde Demokratie noch gelebt.
    Gewiss, auf einige Annehmlichkeiten mussten wir verzichten: Besuche von Eltern, Kindern oder normalen Mädchen blieben uns verwehrt. Umso mehr aber hingen wir unsere Herzen an die unterschiedlichsten Tiere und verrückten Schlampen, die bei uns ein- und ausgingen. Wollten die Frauen nicht wieder verschwinden, riefen wir den schönen Markus. Der kam und erzählte den gestrandeten Gespielinnen, dass er Halbindianer sei und außerdem der kleine Bruder von Campino. In Scharen erlagen sie seinem Charme. Er nahm sie mit und setzte sie am Stadtrand wieder aus.
    Natürlich waren wir von der modernen Welt nicht ausgeschlossen. Uns war stets bewusst, dass es hinter unserer Wohnungstür ein anderes Universum gab, in welchem andere Regeln galten. Schräg über den Hausflur wohnte nämlich Frau Zeiss, schon immer vierundachtzig Jahre alt und mit jener tollkühnen Toleranz gesegnet, wie sie nur denjenigen zuteil wird, die mit kaputter Hüfte im fünften Stock leben müssen. Sie hielt all unsere Gäste für anständige Burschen, und mich nannte sie ein apartes Persönchen. Manchmal denke ich,
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