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Niccolòs Aufstieg

Titel: Niccolòs Aufstieg
Autoren: Dorothy Dunnett
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Platz, und sie setzte sich zwischen die beiden Männer, gegenüber der Tür mit dem Vorhang. »Unsere Freunde kommen erst, wenn ich sie hole«, erklärte der Grieche. »Ihr wißt ja, was zur Diskussion steht. Der Herzog von Mailand hat Eurem Unternehmen die Verlängerung der condotta für das nächste Jahr angeboten, aber Ihr habt noch nicht angenommen?«
    Sie bemerkte, daß Nicholas die Antwort ihr überließ. »Nein«, sagte sie ruhig. »Aber wir werden es voraussichtlich bald tun. Graf Federigo hat nach San Fabiano sehr gedrängt. Ein anderes Angebot müßte schon weit höher sein.«
    »Was glaubt Ihr, wann Ihr den Vertrag mit den Mailändern unterzeichnen werdet?« fragte der Grieche.
    Diesmal antwortete Nicholas. »Noch vor Ende des Jahres, Messer Nicholai. Ich habe vor, im November nach Mailand zu reisen.«
    Davon hatte sie nichts gewußt. Sie wartete.
    »Aber Ihr persönlich hättet nichts dagegen, Euer Unternehmen zu erweitern?« fragte der Grieche. »Eure Geschäfte florieren, und das ruft Neid hervor. Niemand möchte einer Dame schaden, aber je erfolgreicher ein Kaufmann, desto größer ist die Gefährdung. Vieles spricht dafür, einen Teil der Geschäfte an einen anderen Ort zu verlegen. Ihr habt bereits an Venedig gedacht. Ihr steht in Verbindung mit Genua. Mit Eurem Kurierdienst habt Ihr Euch den Florentinern empfohlen. Ihr braucht nur noch den Ort zu wählen, wo Ihr aus all diesen Aktivposten am meisten Kapital schlagen könnt. Ich spreche natürlich von Trapezunt.«
    Man lernt, bei geschäftlichen Gesprächen nichts preiszugeben. Marian de Charetty blickte in das dunkle Gesicht, als hätte dieses Ansinnen, einen noch nicht zwanzigjährigen jungen Mann ans andere Ende der Welt zu schicken, keinerlei Bedeutung. Trapezunt. Das Juwel am Schwarzen Meer. Der kostbare Handelsplatz mit der Verbindung zum Orient, den Venedig an die Türken zu verlieren fürchtete. Der jetzt, da Konstantinopel gefallen war, die letzte Bastion des byzantinischen Reichs war; der letzte Kaiserhof; das letzte Schatzhaus Griechenlands.
    Caterino Zeno, der das Alaunabkommen für Venedig unterzeichnet hatte, war mit einer byzantinischen Prinzessin verheiratet. Es war alles geplant. Nichts war hier Zufall. Für einen Krieg, nicht für den Handel wurde Nicholas gebraucht. Aber Krieg und Handel bildeten das Fundament des Unternehmens Charetty.
    »Wir haben eine hervorragende Truppe«, sagte Nicholas, »aber ich bezweifle, daß Hauptmann Astorre ganz allein die Türken Zurückschlagen könnte. Das erwartet Ihr doch?«
    »Ich?« entgegnete der Grieche. »Ich erwarte gar nichts. Ich zeige auf, was möglich ist, weiter nichts. Venedig hat zum Schutz seiner Kaufleute eigene Söldner in Trapezunt, auch wenn sie kaum etwas taugen. Die Genueser haben eine Art Leibgarde. Wahrscheinlich werden sie nie gebraucht werden. Der Sultan ist auf den Handel angewiesen, und die Berge schrecken osmanische Heere ab. Nein. Ich dachte an eine günstige geschäftliche Gelegenheit. Wenn Ihr Euren Hauptmann Astorre bittet, Euch zu begleiten, wird er selbstverständlich willkommen sein. Der Kaiser selbst würde sich großzügig zeigen. Aber es geht um Handel. Handel und Geld.«
    Sie bemerkte wieder, daß Nicholas es vorzog zu schweigen, und sagte: »Und worum genau?«
    Der Blick des Griechen wirkte weicher im Lampenlicht. »In diesem Winter werden in Italien Gesandte aus dem Osten erwartet, die um Hilfe bei der Vertreibung der Ungläubigen bitten werden. Unter ihnen wird sich der venezianische Kaufmann Michele Alighieri befinden. Der Dichter Dante war einer seiner Vorfahren. Er lebt in Trapezunt und ist der Sprecher Kaiser Davids. Seine Aufgabe ist es, während des Aufenthalts in Italien Verhandlungen über die Einsetzung eines florentinischen Repräsentanten in Trapezunt zu führn.«
    »Eine florentinische Niederlassung am Schwarzen Meer?« fragte sie. »Die wird Florenz den Medici anvertrauen.«
    Der Grieche lächelte. »Aber was Florenz vorschlägt, muß Trapezunt und dem Kaiser nicht gefallen. Er wird von Konstantinopel bedroht. Sultan Mehmet hat sein Mißtrauen gegenüber den Genuesern gezeigt. Kaiser David wird daher vielleicht darauf bestehen, daß Florenz einen Vertreter seiner persönlichen Wahl bestellt: ein Unternehmen, dem sowohl die Medici als auch die Venezianer gewogen sind. Ein Unternehmen, das bereits sein eigenes Söldnerheer unterhält. In Trapezunt stationiert, wäre eine solche Truppe von unschätzbarem Wert. Für die Kaufleute. Für die
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