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Niccolòs Aufstieg

Titel: Niccolòs Aufstieg
Autoren: Dorothy Dunnett
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schwere Körper, der den Stuhl ausfüllte, die üppigen Samtfalten, die diesen Körper verbargen, und die Feindseligkeit in dem Gesicht darüber - alles war so, wie er es sich vorgestellt hatte. Nur saß da keine Frau, sondern ein Mann. Aus dem Stuhl blickte ihm höhnisch lächelnd Jordan de Ribérac entgegen.
    Nicholas, dem ohnehin kalt war, spürte, wie ihm das Blut in den Adern gefror. Er stand wie gelähmt. Dann kehrten Gefühl und Empfindung zurück, und sein Gesicht gewann wieder Farbe.
    Jordan de Ribérac, von den Toten auferstanden. Quicklebendig. Doch wahrscheinlich darüber aufgeklärt, wer ihn zugrunde gerichtet hatte. Einer, den er gewiß nicht als seinen Enkel betrachten wollte.
    Der Kaufmann und Finanzier, Gefährte von Königen, sah nicht aus wie dem Kerker von Loches entsprungen oder mit knapper Not dem Henkersbeil entronnen. Um seine Schultern lag eine schwere Goldkette, und das feingefältelte Wams, das unter dem Umhang den massigen Brustkorb umspannte, hatte Knöpfe aus Edelsteinen. Der ausladende Brokathut mit der eingedrückten Krone beschattete rot und gesund schimmernde, volle Wangen und kalte Augen mit hartem Glanz.
    »Ah«, sagte er, »Claes van der Poele, der Menschentöter. Nimm Platz. Es tut mir leid, daß ich dich unter dem Namen meiner Schwiegertochter hierherzitiert habe, aber ich hielt es für klug. Sie übrigens auch. Wer weiß, ob du sonst nicht mit gedungenen Mördern hergekommen wärst oder mit dem genialen Plan, mich gefangenzusetzen. Du kannst dir vielleicht denken, daß ich in Burgund ein peinlicher und daher heimlicher Gast bin und im Augenblick lieber nicht wieder in Frankreich landen möchte.«
    Nicholas setzte sich. »Ihr seid also geflohen.«
    De Ribérac lächelte mit kleinem Mund. »Aus der Bretagne mit Hilfe meiner Schwiegertochter. Das heißt, sie war zu dem Zeitpunkt noch nicht mit Simon verheiratet, aber sie erkannte zweifellos den Vorteil daran, die französischen Ländereien im Familienbesitz zu halten. Ich lebe zwar in der Verbannung, aber ich lebe noch. Und wenn der Dauphin gekrönt wird, erhalte ich Ribérac natürlich zurück. Dieses Argument siegte, wie sich zeigte, sogar über Katelinas blinde Abneigung gegen mich. Simon weiß nicht, daß sie mir geholfen hat. Er wäre höchst ungehalten, wenn er es wüßte. Er hat mich heute nachmittag, als ich lebend vor ihm stand, nicht gerade wie ein liebender Sohn empfangen.«
    »Hat er kein Interesse an Ribérac?« Nicholas sprach so gleichmütig wie der andere und saß ebenso ruhig da.
    »Er interessiert sich mehr für Kilmirren. Es war natürlich ein schwerer Schlag für ihn, zu entdecken, daß er weder Land noch Titel hat und im Begriff ist, die ganze Freiheit zu verlieren, die er in Schottland unter dem armen Alan genossen hat. Ich muß dir übrigens dafür danken, daß du Alan so geschickt aus der Welt geschafft hast«, fügte Ribérac hinzu. »Er stand mir als älterer Bruder immer im Weg und hätte längst beseitigt werden müssen.«
    »Damit hatte ich nichts zu tun«, sagte Nicholas.
    »Natürlich nicht«, entgegnete der Mann, der sein Großvater war. »Unglaublich die Anzahl der Todesfälle, mit denen du nichts zu tun hattest. Da hätten wir Alan. Dann die arme Esota de Fleury. Ihren unglücklichen Ehemann Jaak. Den armen jungen Tollpatsch Felix de Charetty. Alles gute Freunde oder Verwandte von dir. Wie ich hörte, hat dir gar der berüchtigte Lionetto das Leben gerettet, ohne zu ahnen, daß du ihn ruiniert hast. Kein Wunder, daß Simon um sein Leben fürchtet.«
    »Das braucht er nicht.«
    »Nein, etwas Direktes braucht er sicher nicht zu fürchten«, sagte de Ribérac. »Du bist ja heute morgen im Hause Gruuthuse praktisch vor ihm davongelaufen, wie ich hörte. Aber du machst ihn immer wieder auf dich aufmerksam. Hier spannst du ihm eine kleine Hure aus. Dort machst du eine abschätzige Bemerkung über ihn. Jetzt, da Katelina weiß, was es bedeutet, ist ihre heilige Abneigung gegen dich leider noch beträchtlich gewachsen.«
    Jetzt, da sie weiß, was es bedeutet? Nicholas wartete.
    De Ribérac lächelte. »Du bist wirklich der passivste Gegner, der mir je untergekommen ist. Ich danke Gott, daß kein Blut von mir in deinen Adern fließt, ich müßte mich ja zu Tode schämen. Erinnerst du dich an deine Bemerkung? Das Benehmen eines Flegels und die Talente eines Mädchens. Und eine Schande für Euren Vater. Das hat den armen Simon damals tief getroffen. Nach dem toten Winzling, den er deiner Mutter angehängt
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