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Niccolòs Aufstieg

Titel: Niccolòs Aufstieg
Autoren: Dorothy Dunnett
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Schottland einzustellen. Und alle Würdenträger hätten die Köpfe zusammengesteckt und dann beschlossen, daß man nichts weiter gegen uns unternehmen werde, falls wir Meester Anselm von unserer Unschuld überzeugen können. Die Familie Charetty müsse allerdings ein beträchtliches Bußgeld entrichten -«
    »Oh«, entfuhr es Felix.
    »- bei dessen Bezahlung die Zunft der Färber wie auch die der Leichterschiffer mit einspringen würde. Morgen früh lassen sie uns raus. Um elf, unter dem Kran, hat sie gesagt.«
    Meester Julius starrte den Charetty-Lehrling an. »Das alles hast du schon gewußt, als sie dich zu uns brachten.«
    Claes schenkte ihm ein breites Lächeln.
    »Und der Büttel«, fuhr Julius fort, »hat es ebenfalls gewußt, wahrscheinlich auch der Gefängnisvorsteher und die beiden Wärter, die mir all mein Geld abgeknöpft haben.« Er spürte förmlich, wie er krank wurde, wohl eine Erkältung, und beließ es bei einer schneidend formulierten und vernichtenden Schimpftirade, die Claes mit gebührender Demut anhörte, während Felix die ganze Zeit kicherte. Anschließend rollte sich Julius zur Seite und überließ sich und seine Erkältung einer zwar unbequemen, aber keineswegs unheilschwangeren Nacht.
    Am darauffolgenden Morgen wurden die drei Kinder zu Anselm Adorne in sein stattliches Haus neben der Jerusalemkirche gebracht. Er war damit beauftragt, sie zu verhören und ihnen einen gehörigen Schrecken einzujagen.
    Kinder? Zwei von ihnen waren Jugendliche, der dritte ein vorzüglich ausgebildeter Rechtskonsulent und nur sieben Jahre jünger als Anselm. Doch für den diplomatisch Versierten waren sie immer noch Kinder. Seit nahezu zweihundert Jahren, seit die Adornes aus Italien gekommen waren und sich unter dem damaligen Grafen, der verheiratet war mit der Tochter des Königs von Schottland, in Flandern niedergelassen hatten, besaßen sie in dieser Region Macht und Einfluß. Seit Generationen dienten die Adornes mit ihren feingeschnittenen Gesichtern, den spöttisch hochgezogenen Brauen und den blonden, gelockten Haaren der Stadt Brügge und den Grafen von Flandern, in dieser Reihenfolge. Und sie vergaßen nie, daß Angehörige eines anderen Zweigs ihrer weitverstreuten Familie seit noch längerer Zeit in der Republik Genua als Geschäftsleute und Finanziers, oft sogar in höchster Stellung als Dogen tätig waren.
    Für einen Mann von Stand und Vermögen wie Anselm Adorne, der in ritterlichen Fertigkeiten geschult, zudem hochgebildet und im Lateinischen bewandert war, fließend Flämisch und Französisch, Deutsch und Englisch sprach und die verschiedenen schottischen Dialekte beherrschte, waren die drei törichten jungen Männer, die die neue Kanone des Bischofs ins Wasser gekippt hatten, schlicht Kinder. Er erhob sich nicht, als sie in seine Empfangshalle gebracht wurden, und auch seine Frau, mit der er seit sechzehn Jahren verheiratet war, blieb, zusammen mit ihrer Dienerin und den älteren ihrer zahlreichen Kinder, am anderen Ende des Raums bei ihren Gästen sitzen.
    Der gotische Stuhl, auf dem Anselm saß, trug ebenso wie die Deckenbalken über seinem Kopf die ineinander verschlungenen Wappen seiner Mutter und seines Vaters, der Geschlechter Bradericx und Adorne; selbst im Buntglas der hohen gotischen Fenster war das Wappen zu sehen. Der Rechtskonsulent war schon früher hier gewesen. Auf dem Kai in Damme hatte Adorne die schrägstehenden Augen und die anziehenden, offenen Gesichtszüge auf Anhieb wiedererkannt. Diesmal war Meester Julius, in den gebührlichen schwarzen Talar mit Stehkragen gekleidet, die Hutschärpe über die Schulter geworfen und das Handwerkszeug am Gürtel befestigt, wesentlich zurückhaltender. Doch seine von weichen Lederschuhen umhüllten Füße standen fest auf dem Boden, Tintenhorn und Federkasten hingen ruhig und unbewegt herunter. Der Stolz des jungen Mannes erwuchs aus seiner Ausbildung zum Schreiber und Gelehrten, die er in einem Kloster erhalten hatte. Eskapaden standen jedoch nur Studenten zu.
    Die beiden anderen waren nichts Besonderes. Bei Felix war vorauszusehen gewesen, daß er nach dem Tod von Cornelis de Charetty über die Stränge schlagen würde, doch hatte er eine besonnene Mutter. Ob er die Geschäftstüchtigkeit seines Vaters Cornelis besaß, war eine andere Frage. Als vor zwei Jahren infolge des Bankrotts sämtlicher lombardischen Pfandhäuser eine allgemeine Panik ausbrach, hatte der einen kühlen Kopf bewahrt und seinen Schwiegervater vor dem Ruin
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