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Nibelungenmord

Nibelungenmord

Titel: Nibelungenmord
Autoren: Judith Merchant
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erwecken wir den Eindruck, wir seien von der Kirche.
    »Aber, aber!« Sie zeigte ihre weißen Zähne und spürte dabei genau, dass ihr das Lächeln heute besondere Mühe bereitete. Ihrer Chefin würde sie einiges zu erzählen haben. Normalerweise wurden diese sensiblen Gespräche nur mit Kandidaten geführt, bei denen eine gewisse Aussicht auf Erfolg bestand. Also solche, die für Suggestion empfänglich waren. Die Kunden wurden ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es nicht zweckmäßig war, das hohe Honorar für ein Gespräch mit Kandidaten zu bezahlen, die, nun, intellektuell noch in Form waren.
    »Sie können meiner Tochter ausrichten, dass ich um nichts in der Welt ausziehe. Da muss sie mich schon selbst raustragen. War das alles, weswegen Sie gekommen sind? Ich soll für ein Wochenende bei Ihnen zur Probe wohnen?«
    Es war Zeit, andere Geschütze aufzufahren. Das tat Janina nicht gerne, aber sie machte sich an dieser Stelle immer klar, dass das, was sie vorhatte, im Sinne der alten Leute war. Alte Menschen sollten unter ihresgleichen wohnen. »Liebe Frau Herzberger, ist Ihnen denn bewusst, was Ihnen hier alles Mögliche passieren kann, so ganz allein? Was, wenn Sie stürzen und niemand Sie rufen hört?« Falsches Stichwort, dachte sie im selben Moment. Für jemanden mit jugendlichem Lover dürfte das ein schwaches Argument sein.
    »Mir passiert schon nichts«, sagte die alte Dame halsstarrig.
    Janina verzog die Lippen zu einem schmalen, überlegenen Grinsen. Dann beugte sie sich vor, bis ihre Nase nur noch Zentimeter vom Gesicht der alten Dame entfernt war.
    »Und was«, zischte sie, »wenn eines Tages ein Verbrecher hier hereinspaziert, so wie ich eben? Er muss noch nicht einmal klingeln. Er könnte im Hausflur gewartet haben und dann …«
    Sie brach ab, als sie spürte, wie sich etwas Kaltes in ihre Rippen bohrte. Was war das?
    »Er soll nur kommen«, sagte die alte Dame mit vor Erregung bebender Stimme und lehnte sich zurück in ihren Ohrensessel. In der Hand hielt sie eine glänzende Pistole. »In meinem Alter ist man für jede Abwechslung dankbar.«
    Janina brach der Schweiß aus.
    Die Mündung zeigte genau auf sie.
    *
    Alle Typen in der Klasse 10 a standen auf Lara, echt alle. Selbst der coole Paul aus der Elf bekam Stielaugen, wenn sie über den Schulhof ging. Sie war eindeutig das hübscheste Mädchen der Klasse, mindestens. Wenn nicht das hübscheste Mädchen der ganzen Schule. Für ihn war sie das schönste Mädchen der Welt.
    Es musste, überlegte Sven, während er rechts in Richtung Rhein abbog, irgendwas mit ihrer Haut sein. Die strahlte so. Sie glänzte nicht wie von Make-up oder Puder oder was auch immer sich all die anderen Tussen an Glitzer draufschmierten. In Laras Gesicht leuchtete es. Von innen.
    Und ihre Augen, die waren echt der totale Wahnsinn. Ganz blau, hellblau, und so klar, als ob man ins Wasser guckte. Und in der Iris waren dann so ein paar dunkelblaue Punkte, da wurde einem schwindelig, wenn man da reinschaute, in diese Wahnsinnsaugen.
    Sven bremste scharf, als zwei Mütter mit Buggys den Radweg überquerten, ohne nach links und rechts zu sehen. Die breite Promenade, die sich von Niederdollendorf bis nach Königswinter zog, schien den Spaziergängern nicht zu genügen, ständig liefen sie unvermittelt auf den Radweg. Irgendwann würde er einfach weiterfahren, ganz egal, wer ihm im Weg stand. Wumm!
    Er stieg ab, während die Mütter ihm missbilligende Blicke zuwarfen und ihren Weg wieder aufnahmen.
    Lara war noch nicht da. Inzwischen hatte er sie so oft von der Fähre abgeholt, dass ihm die Bank vertraut vorkam. Heute saßen keine Touristen darauf, die ihn in seiner Vorfreude stören konnten. Er schloss sorgfältig sein Rad ab. Einmal hatten sie es ihm schon geklaut. Beim zweiten Mal hatte er es selbst vertickt, fünf Hunderter hatte er dafür bekommen, dabei hatte es locker das Doppelte gekostet. Diesmal hatte die Versicherung nicht gezahlt, aber sein Vater hatte ihm, ohne mit der Wimper zu zucken, ein neues gekauft. Er würde ihm bestimmt auch noch ein weiteres bezahlen, doch Sven hatte keinen Bock mehr auf den Stress, und deswegen achtete er jetzt auf sein Rad. Die Leute filzten echt wie verrückt. So war halt das Leben. Tat er ja auch.
    Sven hatte ein megacooles Rad. Sein Vater hatte beim Neukauf sogar ein bisschen was draufgelegt für einen besseren Rahmen. Einen noch besseren. Freust du dich, hatte er gesagt. Er fragte nicht, sondern sagte das einfach vor sich hin, es klang
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