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Nibelungen 05 - Das Runenschwert

Titel: Nibelungen 05 - Das Runenschwert
Autoren: Jörg Kastner
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Tür, spähte durch das kleine Loch, das Luft und Licht einließ.
    »Bei Wodan!« keuchte er.
    »Was ist?« fragte Siegfried, der ebenfalls aufgesprungen war.
    Ein lautes Kratzen ertönte. Er kannte das Geräusch. Die Kerkertür wurde geöffnet.
    »Wir werden befreit!« Grimbert trat von der Tür zurück und fügte nach einem kurzen Zögern hinzu: »Von einem seltsamen Retter!«
    Auch Siegfried traute seinen Augen nicht. Seltsam war dieser Retter in der Tat – und doch kannte er kaum einen Menschen besser als ihn: Otter trug nur einen ledernen Schurz um die Hüften. Seine glatte Haut glitzerte seltsam. Siegfried brauchte einen Moment, um zu erkennen, daß es zahllose winzige Wassertropfen waren. An Otters Händen klebte Blut. Er machte ein ernstes, finster entschlossenes Gesicht.
    »Kommt schnell!« zischte der Schmiedebursche. »Leider konnte der Wächter um Hilfe rufen, als ich ihm die Schlüssel abnahm. Falls andere Wachen den Schrei gehört haben, ist größte Eile geboten!«
    »Wie kommst du hierher, Otter?« fragte Siegfried.
    »Erst mit einem Boot, und dann bin ich geschwommen.«
    »Das also ist Otter, von dem du erzählt hast«, stellte Grimbert fest und betrachtete den geschmeidigen Jungen prüfend. Dann sah er zu dem kräftigen Wächter, der auf dem Gang in seinem Blut lag. »Kaum glaublich, daß so ein schmaler Bursche den Söldner getötet hat!«
    »Glaubt es oder glaubt es nicht«, flüsterte Otter. »Doch kommt endlich!«
    Sie liefen aus der engen Zelle. Grimbert beugte sich über den Toten, um ihm die Waffen abzunehmen. Die aufgerissene Kehle war kein schöner Anblick. Siegfried warf Otter einen verstörten Blick zu. Der geheimnisvolle Findeljunge jedoch achtete nicht darauf.
    »Ich nehme das Schwert«, sagte Grimbert und reichte Siegfried den Speer des Toten. »Für dich ist der Dolch, Otter.«
    »Ich brauche keine Waffe«, erwiderte Otter.
    Grimbert zuckte mit den Schultern und gab den Dolch Siegfried, der ihn in den Gürtel schob. Sie schlichen durch den von wenigen Fackeln kaum erhellten Gang.
    »Das ist nicht der Weg hinauf zur Festung!« sagte Grimbert, als Otter sich in einen engen Nebengang drückte.
    »Nein, das ist nicht unser Weg«, erwiderte der fast nackte Junge. »Zu viele Wachen«, fügte er wie zur Erklärung hinzu.
    »Sie kommen schon!« warnte Siegfried, der Stimmen und Schritte vernommen hatte. »Wahrscheinlich haben sie den Schrei doch gehört.«
    »Kommt weiter!« verlangte Otter und huschte voran.
    Der steinerne Boden fiel stetig ab. Hier gab es keine Fackeln, nur Finsternis. Und Wasser. Erst plätscherte es nur um die Füße der drei Flüchtenden, dann umspielte es die Knöchel, die Beine.
    »Bald müssen wir schwimmen«, knurrte Grimbert.
    »Ihr habt es erfaßt, Graf«, erwiderte Otters helle Stimme aus dem Dunkeln. »Es ist ein Kanal, der ins Freie führt.«
    »Woher wußtest du davon?« fragte Grimbert mißtrauisch.
    »Ich habe ihn früher einmal entdeckt. Ich schwimme manchmal nachts ihm Rhein.«
    »Niemand schwimmt nachts im Rhein!« erwiderte Grimbert. »Schon gar nicht zu dieser Insel, die von reißender Strömung umpeitscht wird!«
    »Ich schon«, entgegnete Otter. Es klang weder eitel noch triumphierend, sondern wie eine Selbstverständlichkeit.
    Er warf sich ins Wasser. Sie vernahmen nur ein dumpfes Geräusch. Siegfried folgte ihm, dann Grimbert. Der Kanal war eng. So eng, daß Siegfried den Speer und Grimbert das Schwert fallenlassen mußte. Manchmal spülten die Wasser des Rheins bis an die Felsdecke, und sie mußten tauchen. Nach einer Weile waren sie im Freien angelangt.
    »Bis zum Fluß sind es nur wenige Schritte«, erklärte Otter, während er aus dem Wasser stieg und voranging.
    Sie stießen auf zwei weitere Wächter. Beide waren ebenfalls tot und entsetzlich verstümmelt.
    »Warst du das, Otter?« fragte Siegfried.
    »Es mußte sein«, antwortete sein Freund knapp. Er steckte Daumen und Zeigefinger in den Mund und stieß einen schrillen Pfiff aus. Als nichts geschah, ließ er weitere Pfiffe folgen. »Der Wind ist stark, aber er weht in die falsche Richtung, uns entgegen. Wieland hört mein Zeichen nicht. Wartet hier, ich werde ihn holen.«
    Ohne zu zögern, glitt Otter ins Wasser; er schien fast mit dem feuchten Element zu verschmelzen und verschwand in der Dunkelheit.
    »Du hast einen seltsamen Freund«, bemerkte Grimbert nachdenklich, während er Otter nachsah.
    Siegfried mußte seinem Oheim recht geben. Otter schien ihm rätselhafter, unheimlicher als je
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