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Nibelungen 05 - Das Runenschwert

Titel: Nibelungen 05 - Das Runenschwert
Autoren: Jörg Kastner
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war der Todesschrei. Der große Vogel stürzte zu Boden. In seiner Kehle steckte der Bolzen einer Armbrust.
    Siegfried blieb keine Zeit aufzuatmen. Reinhold hatte sich erholt und griff wieder an. Er schwang eine Kette mit einer spitzenstarrenden Eisenkugel über seinem Haupt. Ein Morgenstern! Siegfried konnte sich durch einen Sprung vor dem ersten Schlag in Sicherheit bringen. Doch der Graf setzte ihm nach und schwang die fürchterliche Waffe erneut. Der Prinz von Xanten faßte den Dolch an der Spitze und warf ihn, wie Reinhold es ihm beigebracht hatte. Die Klinge fuhr durch das rechte Auge des Angreifers. Reinhold fiel auf die Knie und ließ den schweren Holzgriff des Morgensterns los. Das Leben verließ ihn.
    »Mich hast du getötet, Siegfried«, röchelte er. »Aber die Macht des Feuergottes wirst du nicht brechen. Der Krieg wird weitergehen. Friesen und Niederländer werden sich abschlachten, wie es bald alle Christenhunde tun werden…« Seine Stimme wurde schwächer.
    »Nein!« sagte jemand dicht hinter Siegfried. »Wir werden nicht länger gegeneinander kämpfen, nicht jetzt, wo ich die Wahrheit kenne!«
    Es war König Hariolf.
    Neben ihm erschien ein Reiter mit einer abgeschossenen Armbrust in der Hand: Grimbert.
    Reinhold sank leblos herab. Sein Kopf fiel in den Schlamm. Noch im Tod wirkte er wie ein grausamer einäugiger Rächer.
    Erst jetzt bemerkte Siegfried, daß der Kampflärm abgeebbt war. Nur der Regen trommelte unablässig auf den mit Wasser und Blut getränkten Boden.
    »Es ist vorbei«, sagte Grimbert. »Wir haben Königin Sieglind und Prinzessin Amke befreit. Niederländer und Friesen kämpfen nicht mehr.«

Epilog  
    ie Wolken hatten sich schon seit Tagen verzogen, und der Rhein funkelte im Sonnenlicht. Siegfrieds Blick glitt über das silberblaue Wasser und über die grünen Wälder an den Ufern. Hier waren sie vollkommen allein. Kein Schiff in der Nähe, kein Fischer, kein Fährmann und kein Flößer. Nur die kleinen Boote mit Siegfried und Grimbert.
    Nach den überstandenen Gefahren, dem Tod Reinholds und dem wiederhergestellten Frieden hätte sich Siegfried erleichtert fühlen müssen. Doch dem war nicht so.
    Frieden herrschte zwar zwischen den beiden Königreichen, aber keine Freundschaft. König Hariolf hatte erklärt, keinen Krieg zu führen gegen den Mann, der ihm das Leben gerettet hatte, aber der Friese mochte auch keine Freundschaft schließen mit dem Mörder seines Sohnes. Längst waren die Friesen in ihr Land heimgekehrt. Und mit ihnen Amke. Obwohl sie es einander nicht gestanden hatten, war der Abschied für Amke wie für Siegfried schmerzvoll gewesen. Beide hatten gewußt, daß es für sie keine gemeinsame Zukunft gab. Wozu es noch durch Worte erschweren? Die Blicke genügten. Nie würde Siegfried Amkes Augen vergessen.
    Siegfried richtete sich im Boot auf und wickelte das Tuch auseinander. Lange blickte er auf das zerbrochene Schwert. Dann packte er den goldenen Griff. Er spürte nichts mehr von der unheimlichen Kraft.
    Grimbert hatte die Runen verändert und ihnen den Zauber genommen. Aber das hatte Siegfried nicht genügt.
    »Ich danke dir, Wodan«, flüsterte er und schleuderte das halbe Schwert im weiten Bogen aus dem Boot.
    Der Rhein verschluckte es. Hier war der Fluß sehr tief. Er würde das Schwert nie wieder hergeben.
    Die zweite Schwerthälfte verschwand ebenfalls im Wasser. Siegfried starrte lange auf den Fluß, bevor er sich wieder setzte.
    Er hatte nicht nur das Schwert im Fluß versenkt; er wollte auch die Erinnerung an den Mann auslöschen, den er einmal für seinen Freund gehalten und der ihn so sehr getäuscht hatte. Es gab keinen Reinhold von Glander mehr. Der Verlust des väterlichen Freundes mochte schmerzen, doch das Wissen, die Welt von dem rücksichtslosen, grausamen Diener Lokis befreit zu haben, wog den Schmerz mehr als auf.
    Grimbert legte eine Hand auf Siegfrieds Schulter. »Ich bin stolz auf dich, Siegfried, und dein Vater Siegmund wäre es auch. Du hast gehandelt wie ein König – wie ein Mann.«
    »Noch bin ich keiner.« Siegfried lächelte ein wenig verloren. »Meine Schwertleite wurde durch einen unerwarteten Krieg verhindert.«
    »Sie wird bald nachgeholt, und dann wirst du ein neues Schwert an deiner Seite tragen!«
    »Ich weiß nicht, ob ich mir das wünschen soll.«
    »Aber ein Mann braucht ein gutes Schwert!«
    »Ist jemand, der das braucht, wirklich ein Mann?« fragte Siegfried.
    Grimbert musterte ihn eingehend. »Du erstaunst mich, Junge.
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