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Never tell a lie - Lügen können töten - Psychothriller

Never tell a lie - Lügen können töten - Psychothriller

Titel: Never tell a lie - Lügen können töten - Psychothriller
Autoren: PeP eBooks
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Treppenabsatz ab und hob müde die Hand zu einem militärischen Gruß. Sein Gesicht war noch ganz verknittert vom Schlaf, und auf seinem Kopf stand eine ganze Horde borstiger Haarsträhnen in Habtachtstellung.
    »Leg dich wieder ins Bett, du hübscher Knabe«, schlug sie vor.
    Sie steckte den Stecker in eine Steckdose auf dem Treppenabsatz, zog den Staubsauger in die nicht ausgebaute
Hälfte des Speichers und knipste das Licht an. Der Boden war rau, und über ihr waren die nackten Dachbalken zu sehen. Die Zwischenräume zwischen den Balken an der Wand und am Dachstuhl waren mit rosafarbenem Isoliermaterial ausgefüllt.
    Noch vor zwei Tagen war der Raum mit den Habseligkeiten anderer Leute vollgestopft gewesen. Jetzt war nur noch eine Kiste mit Büchern übrig. Sie legte den Schalter um, und der Staubsauger begann zu röhren. Es war befriedigend, zu sehen, wie die Spinnweben in der Staubsaugerdüse verschwanden, und das Klappern, mit dem Mörtelreste und kleine Steinchen durch das Staubsaugerrohr flogen, wirkte sich wohltuend auf ihr inneres Gleichgewicht aus. Gelegentlich wurde sie durch ein scharfes Klicken und den Schmerz im Fußballen an den Glassplitter erinnert, den sie sich in den Fuß getreten hatte. Sie bearbeitete die Ränder des Raumes, ging dann im Zickzack durch die Mitte und überlegte dabei, was da wohl zerbrochen worden war.
    Ivy schaltete den Staubsauger aus, legte die Hände auf die Hüften und massierte ihr Kreuz mit den Daumen. Dann zog sie den Staubsauger in den ausgebauten Teil des Speichers. Von alten Fotos wusste sie, dass der Raum einmal zweigeteilte Schiebefenster gehabt hatte. Jetzt waren die Öffnungen von innen unbeholfen mit Tapete und von außen mit Schindeln abgedeckt. Vielleicht hatten die früheren Besitzer verhindern wollen, dass sich der junge Mann, der hier oben gepflegt wurde, aus dem Fenster stürzte. Irgendwann, wenn sie und David jemals ein bisschen Geld übrig hatten, würden sie die Fenster
wieder in den ursprünglichen Zustand versetzen lassen.
    Ivy schaltete den Staubsauger wieder ein. Trotz der zugenagelten Fenster drang Licht durch das Rundbogenfenster hoch oben im Giebel. Bei der Arbeit bemerkte sie Dellen und Schrammen im Linoleumfußboden. Wie Bremsspuren auf einer Schnellstraße erzählten sie von einer Vergangenheit. Sechs tiefe Eindrücke - vermutlich von einem Bett - bildeten ein Rechteck an einer Wand. Vier runde Abdrücke in der Mitte des Raumes stammten vielleicht von einem schweren Tisch. Vor ihrem geistigen Auge sah sie einen Spieltisch aus Mahagoni, von dessen Kanten grüne Fransen herabhingen und der den Platz in der Mitte des Raumes einnahm - obwohl sie sich nicht vorstellen konnte, wie man so etwas die Treppe hinaufbekommen sollte.
    Als sie fertig war, holte sie tief Luft und atmete wieder aus. Ein reinigender Atemzug. Das hatte Sarah, ihre Lehrerin im Geburtsvorbereitungskurs, ihnen empfohlen, nachdem David und sie sich durch die Atemübungen für die gefürchtete Zeit der Eröffnungswehen vor den eigentlichen Presswehen gekämpft hatten.
    Die Wehen verlaufen bei jeder Frau anders - das war allgemein bekannt. Sie fragte sich, wie es bei ihr wohl sein würde. Lang oder kurz? Würde sie so schlimme Schmerzen haben wie bei ihren Abgängen? Oder würde sie nur »Unbehagen« empfinden, wie Sarah es verharmlosend nannte? Würden sich die Übungen, die man ihr beigebracht hatte, als hilfreich erweisen? Ivy würde sich nicht genieren, um ein Schmerzmittel zu bitten, aber wenn es
bedeutete, dass das Baby auch nur ein kleines bisschen gesünder zur Welt käme, würde sie lieber ohne auskommen.
    Wie mochte es für ihre Mutter gewesen sein …
    Ivy unterbrach sich abrupt bei diesen Gedanken. Es wäre schwachsinnig, sich einzubilden, dass ihre Mutter etwas anderes als ein Problem wäre, wenn sie noch leben würde.
    Ivy war zehn Jahre alt gewesen, als es anfing, mit ihrer Mutter bergab zu gehen. Damals hatte sich gerade herausgestellt, dass ihr Vater Bauchspeicheldrüsenkrebs hatte - eine Diagnose, die die Leute veranlasste, den Blick zu senken. Etwa 96% der Patienten starben innerhalb von fünf Jahren. Ihr Vater war der Krankheit schon nach sechs Monaten erlegen.
    Jetzt wusste sie, was ihr selbst damals schon bis zu einem gewissen Grad klar gewesen war, nämlich, dass ihre Mutter sich betrank, um sich zu betäuben. Aber was als Überlebenstechnik begonnen hatte, entwickelte sich zu einer Angewohnheit. Ihrer Mutter war es nicht mehr gelungen, länger als eine oder zwei
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