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Never forget - das Mädchen, das sich nicht erinnern durfte

Never forget - das Mädchen, das sich nicht erinnern durfte

Titel: Never forget - das Mädchen, das sich nicht erinnern durfte
Autoren: Arena
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warum.
    Ich weiß nicht einmal, wer ich bin.
    Womöglich wird er sich nicht einmal die Mühe machen, mich zu begraben. Vielleicht wird er meinen toten Körper dem überlassen, was auch immer in diesen Wäldern kreucht und fleucht.
    Nein! Der Gedanke ist so heftig, dass ich meine Lippen zusammenpressen muss, um ihn nicht hinauszuschreien. Ich kann es nicht ihm überlassen zu entscheiden, was mit mir geschieht. Ich kann nicht einfach abwarten, bis er mich umbringt.
    Er zieht mich an einem kleinen Baum vorbei. Ich strecke ein Bein aus und hake meinen Fuß an seinem Stamm ein. Ruckartig kommen wir zum Stehen.
    »Komm schon.« Er seufzt. »Mach es uns nicht noch schwerer als nötig.«
    Er hebt mich an, um mich besser greifen zu können. Ich schaffe es, die Füße unter mich zu ziehen. Er ist so nah, dass sein Atem die Härchen in meinem Nacken bewegt.
    Ich weiß selbst nicht, was ich jetzt tun soll, bis ich es plötzlich tue. Mein rechter Ellbogen stößt wie ein Kolben nach hinten und trifft ihn direkt in den Bauch. Er ächzt, als ihm explosionsartig die Luft entweicht, und klappt zusammen. Meine rechte Faust holt aus und schlägt ihm wie ein Hammer in die Leistengegend. Dann reiße ich meine Hand nach oben, drehe sie und ramme ihm den Rücken meiner Faust direkt ins Gesicht. Hart. Noch härter durch den Stein in meiner Hand. Ich spüre, wie sein Nasenrücken unter meinen Knöcheln bricht.
    Ich wirble herum, um ihn anzuschauen. Seine Augen sind vor Schmerz halb geschlossen. Blut läuft ihm aus der Nase, so rot wie Farbe. Seine rechte Hand schießt nach vorne, um nach mir zu greifen, aber meine linke Hand fährt schon nach oben, am Handgelenk im rechten Winkel abgeknickt, und schlägt seine Hand weg. Dann schnappt meine Hand zurück und formt mit ausgestreckten Fingern eine Kralle. Meine noch verbliebenen Fingernägel graben sich in seine Wange und hinterlassen Furchen, die sich sofort mit Blut füllen. Er schreit auf, fasst sich mit den Händen ans Gesicht – und lässt seinen Hals ohne Deckung. Ich ziehe die Hand zurück, die Finger dicht zusammen und am zweiten Knöchel gekrümmt. Ich ramme sie, so fest ich kann, in seine Kehle.
    Dann fällt er flach auf den Rücken und rührt sich nicht mehr.
    Ich bin mir nicht sicher, ob er überhaupt noch atmet.
    Alle meine Bewegungen verliefen vollkommen automatisch. Ich brauchte gar nicht darüber nachzudenken. Mich an nichts zu erinnern.
    Wer immer ich bin – ich weiß genau, wie man so etwas macht.

3
TAG 1, 16:58 UHR
    D er Kerl, der mich umbringen wollte, liegt still und reglos auf dem Boden.
    Was mache ich jetzt?
    Mein erster Impuls ist wegzulaufen.
    Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass er eine Waffe bei sich hat. Was, wenn er aufwacht? Er könnte mich erschießen, noch bevor ich es zurück zur Hütte schaffe.
    Ich stoße ihn mit dem Fuß gegen die Schulter, bereit, einen Satz nach hinten zu machen, falls er sich bewegt. Tut er aber nicht.
    Der Mann ist weiß, etwa dreißig oder etwas älter, schlank und nicht besonders groß. Sein dickes schwarzes Haar ist sehr kurz geschnitten. Er trägt dunkle Jeans und eine schwarze Softshell-Jacke mit Kapuze. Seine Augen sind halb geöffnet, seine Lippen schlaff.
    Ist er tot?
    Ich trete ihm in die Seite, etwa so, wie er es bei mir getan hatte; nicht besonders nachdrücklich.
    Er rührt sich immer noch nicht, aber er atmet eindeutig. Vielleicht ist atmen allerdings nicht das richtige Wort, er schnappt eigentlich eher nach Luft. Abgehackt und ungleichmäßig.
    Doch wenigstens ist er nicht tot.
    Ich beuge mich mit klopfendem Herzen über ihn. Ich kann jeden Herzschlag in den Ohren, der Halsgrube und meinen geschundenen Fingerspitzen spüren. Ich habe eine Riesenangst, er könnte sich aufsetzen und mich packen.
    Ich muss seine Waffe finden. Aber was, wenn ich mich irre in Bezug auf das, was er vorhatte? Was, wenn er nicht mal eine Waffe bei sich hat? Ich glaube nämlich, ich habe ihm ernsthaften Schaden zugefügt. Vielleicht habe ich nicht richtig verstanden, was ich gehört habe? Vielleicht habe ich nicht richtig gedeutet, was ich gesehen habe? Vielleicht gibt es eine ganz andere Erklärung für das, was passiert ist, und ich sollte gar nicht umgebracht werden.
    Vielleicht.
    Ich lasse den Stein fallen und ziehe seine Jacke am Bund hoch, schaudernd, weil ich immer noch fürchte, er könnte hochschnellen und mich packen.
    Und da ist sie – in einem Lederholster an seinem Gürtel. Die Pistole scheint aus schwarzem Plastik zu bestehen,
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