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Never forget - das Mädchen, das sich nicht erinnern durfte

Never forget - das Mädchen, das sich nicht erinnern durfte

Titel: Never forget - das Mädchen, das sich nicht erinnern durfte
Autoren: Arena
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stolpernde Schritte, damit er mich halb tragen muss. Das fällt ihm nicht leicht, denn er ist kaum größer als ich, einen Meter achtzig vielleicht. Der Typ murmelt irgendetwas vor sich hin, das ist alles. Vielleicht will er genauso wenig an den Ort, zu dem wir hingehen, wie ich. Bis zur Hintertür sind es noch etwa sechs Meter.
    Draußen wird ein Motor angelassen und ein Auto fährt weg. Die einzigen anderen Geräusche sind der Wind in den Bäumen draußen und ab und zu das Grunzen des Mannes bei dem Versuch, meinen Körper dazu zu bringen, geradeaus zu gehen.
    Wo immer wir auch sind – ich glaube, wir sind allein. Nur ich und dieser Kerl. Und sobald er es geschafft hat, mich durch diese Tür zu bugsieren, wird er seine Anweisungen befolgen.
    Er wird mich kaltmachen.
    Töten.

2
TAG 1, 16:54 UHR
    W ir gehen weiter auf die Hintertür der Hütte zu. Allerdings übernimmt das Gehen vor allem der Typ, der mich mehr oder weniger aufrecht hält. Mein linkes Knie knallt gegen einen Stuhl. Ich hebe meine Füße nicht, sondern lasse sie über den Boden schleifen. Ich versuche, Zeit zu gewinnen, und überlege fieberhaft, wie ich mich retten könnte. Meine halb geschlossenen Augen zucken hin und her, auf der Suche nach einer Waffe, nach irgendetwas, das mir helfen könnte. Aber neben dem Holzofen steht kein eiserner Schürhaken, auf der Arbeitsplatte liegen keine Messer, an der Wand hängt kein altmodisches schwarzes Telefon. Nur offene Schubladen, leere Schränke und ein Riesenchaos auf dem Fußboden – Kekspackungen, Geschirrtücher, Cornflakes- und Crackerpackungen, die ausgeschüttet worden sind und nun wahllos herumliegen.
    Er muss mich mit einer Hand loslassen, um die Tür zu öffnen. Schauspielere nicht. Fühle es, flüstert eine Stimme in meinem Kopf. Ich stelle mir vor, wie mein Bewusstsein schwindet, lasse meinen Körper schlaff werden und entgleite seinem Griff. Es ist schwer, locker und regungslos zu bleiben, als meine Fingerspitzen auf dem Holzboden aufschlagen. Der Schmerz durchzuckt meinen Arm, als hätte ich meine Finger in eine Steckdose gehalten. Trotzdem lasse ich mich einfach zu Boden fallen, als wäre ich vollkommen bewusstlos.
    Ich stelle mich tot. In der Hoffnung, dass ich nicht bald tot bin. Vielleicht wird er unvorsichtig, wenn er glaubt, ich wäre ohnmächtig.
    Mit einem Seufzer steigt der Mann über mich, tritt mit dem Fuß die Tür auf und lässt einen Schwall kalter Luft herein. Er beugt sich zu mir herunter und dreht mich um, sodass ich wieder mit dem Gesicht nach oben liege. Es ist so schwer, sich nicht anzuspannen, vor allem weil jeder Zentimeter meines Körpers empfindlich und lädiert zu sein scheint, doch ich beiße mir auf die Zunge und versuche, ganz locker zu bleiben. Dann packt er mich wieder unter den Armen und zieht mich rückwärts weiter, wobei er bei jedem Schritt ächzt. Sein Kinn streift mich oben am Kopf.
    Er kann mein Gesicht nicht sehen. Ich frage mich, ob das ein Fehler ist. Es wird leichter für ihn sein, mich umzubringen, wenn er dabei nicht in meine flehenden Augen schauen muss. Wenn er nicht sehen muss, wie meine Lippen beben, während ich um mein Leben bettle.
    Meine Füße holpern über die Türschwelle. Ich schlage die Augen wieder auf und sehe einen ausgetretenen Trampelpfad, der zur Hütte führt, meine Füße in blauen Nike-Laufschuhen und meine Beine in engen Jeans. Auf den Oberschenkeln rötlich braune Flecken. Ich frage mich, ob das Blut nur von meinen Fingern stammt.
    Ich lasse meine Hände – auch die verletzte – über den Boden schleifen. Unter meinen Fingerspitzen spüre ich kalte Erde, zerfurcht von Fußabdrücken, an manchen Stellen matschig, dann einen Ast, etwa so dick wie einer meiner Finger. Aber schließlich bekommt meine gute Hand einen Stein zu fassen, der klein genug ist, um in meine Handfläche zu passen. An einer Seite ist er abgerundet, an der anderen scharfkantig.
    Wenn dieser Mann eine Waffe hat – was mehr als wahrscheinlich ist –, wird mir der Stein nicht viel nützen. Selbst David hatte eine Schleuder, um Goliath mit einem Stein zu erledigen.
    Wir kommen jetzt leichter voran. Kiefern umgeben uns und meine Fersen gleiten über kupferfarbene Nadeln. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Kerl, der jetzt schon schwer atmet, mich noch meilenweit schleppen kann. Bald wird er mich fallen lassen, seine mehr als wahrscheinliche Waffe zücken und mir in den Kopf schießen. Oder ins Herz. Oder beides.
    Ich werde sterben und nicht wissen,
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