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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke
Autoren: Robin Hobb
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verstecken sollst! Mit so was treibt man keinen Schabernack in einer rauen Stadt wie dieser!«
    Die Stimme meines Vaters, auf Befehlston getrimmt, hätte über ein ganzes Schlachtfeld hinweg getragen. D a zu brauchte er nicht zu schreien. Es war die Art, wie er es sagte. »Preisen Sie, wen immer Sie wollen, Parth; mich können Sie nicht täuschen. Ihre Zeit in meinen Diensten ist vorbei. Nehmen Sie Ihren Sattel von meinem Pferd.«
    »Aber Herr, es war der Junge! Er ist weggerannt, kaum dass Sie sich umgedreht hatten …«
    Parths Worte waren in den Wind gesprochen. Mein Vater hörte ihm gar nicht mehr zu. Niemand hörte ihm zu. Der Kommandant des Außenpostens war die Stufen seines Hauptquartiers herabgestiegen und schritt jetzt die Straße herunter auf uns zu. Sein Adjutant redete leise und schnell auf ihn ein, während er neben dem älteren, größ e ren Mann her trabte. Er schob sich vor seinen Vorgeset z ten und bahnte ihm einen Weg durch die Menge der Ga f fer. Der Kommandant, das muss ihm zugute gehalten werden, wirkte nicht im Mindesten aufgeregt, als er vor dem Schauplatz des Geschehens stehenblieb und fragte: »Was geht hier vor?«
    Alle verstummten, bis auf Vev, der losheulte: »Er hat meinen Jungen geschlagen, Herr! Er hat ihm den Kiefer gebrochen! Der Kundschafter da, der war es! Ist einfach zu meinem Jungen gegangen und hat ihn geschlagen.«
    »Kundschafter Halloran. Würden Sie das bitte erkl ä ren?«
    Hallorans Gesichtsausdruck wurde verlegen. Etwas in mir empfand Scham angesichts der Veränderung im Ve r halten des Mannes, auch wenn ich es nicht auf eine We i se begriff, die ich mit Worten hätte benennen können. Der Kundschafter sagte bedächtig: »Er hat meine Tochter beleidigt und bedroht.«
    Der Kommandant zog die Stirn kraus. »Das war a l les?«, fragte er und schaute den Kundschafter an, auf e i ne genauere Erläuterung wartend. Das Schweigen zog sich hin. Ich wand mich, verwirrt und verlegen. Ein Mädchen zu beleidigen war eine ernste Sache. Das wus s te sogar ich. Schließlich tat ich meine Pflicht. Mein Vater hatte mir immer gesagt, dass es die Pflicht eines Mannes sei, die Wahrheit zu sagen. Ich räusperte mich und sprach.
    »Sie haben sie bei den Armen gepackt, Herr, und ve r sucht, sie in die Gasse dort zu ziehen. Dann hat Raven sie einen Maulesel genannt, nachdem sie sich losgerissen hatte, und gesagt, er werde sie blutigreiten.« Ich gab nur die Worte wieder, die ich gehört hatte, ohne zu wissen, dass sie für die Erwachsenen noch eine andere Bede u tung hatten, die mir nicht bekannt war. Nach meinem kindlichen Verständnis hatte er das Mädchen einen Maulesel geheißen. Ich wusste, dass ich eine Tracht Pr ü gel bezogen hätte, wenn ich meine Schwestern mit einem solchen Tiernamen angeredet hätte. Für mich war die Sache ganz klar: Der Junge war grob zu dem Mädchen gewesen und hatte dafür seine gerechte Strafe beko m men. Ich sprach laut und deutlich und fügte zum Schluss hinzu, mehr an die Adresse meines Vaters als an die des Kommandanten gerichtet: »Ich wollte sie beschützen. Ich habe gelernt, dass es immer falsch ist, ein Mädchen zu schlagen. Sie hätten ihr fast die Bluse zerrissen.«
    Schweigen folgte meinen Worten. Sogar Vev hörte mit seinem Gejammer auf, und Raven unterdrückte sein Stöhnen. Ich schaute in all die Gesichter, die mich a n starrten. Der Gesichtsausdruck meines Vaters verwirrte mich. Stolz rang in ihm mit Verlegenheit. Dann ergriff der Kundschafter das Wort. Seine Stimme war fest. »Ich würde sagen, das war eine deutliche und zutreffende Z u sammenfassung dessen, was meiner Tochter widerfahren ist. Ich habe entsprechend gehandelt. Macht irgendeiner der hier anwesenden Väter mir das zum Vorwurf?«
    Niemand ergriff das Wort gegen ihn, aber wenn er auf Unterstützung gehofft hatte, so bekam er diese auch nicht. Der Kommandant bemerkte kalt: »Das alles hätte vermieden werden können, wenn Sie so vernünftig gew e sen wären, Ihre Tochter zu Hause zu lassen, Halloran.«
    Aus dieser Äußerung schien Vev offenbar die Berec h tigung zu beziehen, wieder wütend zu werden. Er sprang vom Boden auf, wo er eben noch seinen Sohn getröstet hatte, und stieß ihn dabei in seinem Ungeschick zu allem Überfluss auch noch hart an, so dass der Junge erneut laut aufstöhnte. Dann baute er sich drohend vor dem Kundschafter auf, die Knie leicht gebeugt, die Hände locker an den Seiten. Allen war klar, dass er sich bei der leisesten Provokation auf den Kundschafter
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