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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke
Autoren: Robin Hobb
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Sie lächelte mich erneut an, aber sie ließ mich abblitzen. »Ich glaube, das möchte ich lieber nicht. Ich will zum Markt. Auf Wiedersehen.« Ihre Wo r te waren klar und eindeutig, und laut genug, dass meine Spielkameraden sie verstehen konnten.
    Sie hörten, was sie sagte, und sahen, wie sie weite r ging. Einer von ihnen rief »Buh!«, und Raven lachte mich aus. Das wollte ich nicht auf mir sitzen lassen. Ich rannte ihr nach und fasste sie bei der Hand. »Bitte. Du brauchst doch nur kurz herüberzukommen und hallo zu sagen.«
    Sie reagierte weder erschrocken, noch entzog sie mir i h re Hand. Sie musterte mich einen Moment freundlich und sagte dann: »Du bist ein netter Junge, nicht wahr? Warum kommst du stattdessen nicht einfach mit mir zum Markt?«
    Ihre Einladung reizte mich weit mehr als die Gesel l schaft der Jungen. Ich ging fast so gern auf den Markt wie meine Schwestern. Exotische Waren und Plunder verlangten danach, angefasst und erforscht zu werden. Das Essen auf dem Markt war stets etwas Aufregendes; ich liebte Flachlandessen: die würzige, in Ternasamen gewälzte Wurzelpaste, süße und pfeffrige Fleischspieße und kleine Brötchen aus salzigem Quatember-Brot, j e des mit einem Stückchen Carrada in der Mitte. Mein Blick traf ihre grauen Augen, und ich ertappte mich d a bei, dass ich nickte und lächelte. Ich vergaß die Jungen und ihr Messerspiel. Für den Moment setzte ich mich über das Wissen hinweg, dass nicht nur Parth, sondern auch mein Vater es missbilligen würden, wenn ich mit einem Flac h land-Mischlingsmädchen davonspazierte, um mit ihm über den Markt zu schlendern.
    Wir waren noch keine fünf Schritte gegangen, da sah ich mich auch schon von meinen ehemaligen Spielg e fährten umringt. Sie lächelten, aber ihr Lächeln war wö l fisch, ganz und gar nicht freundlich. Raven baute sich direkt vor uns auf, so dass wir stehenbleiben mussten. Carky, der sich seinen blutenden Fuß mit einem Lumpen umwickelt hatte, postierte sich neben ihn. Ich spürte, wie die Finger des Mädchens in meiner Hand zuckten, und so deutlich, als hätte sie es mit Worten gesagt, fühlte ich den kleinen bangen Stich, der sie durchfuhr. Mein noch ju n ges, unausgebildetes Ehrgefühl meldete sich in mir zu Wort, und ich sagte in ernstem, gewichtigem Tonfall: »Gebt bitte den Weg frei. Wir wollen zum Markt.«
    Raven grinste. »Hört euch den an! Wir stehen dir nicht im Weg, Oberstensohn. Im Gegenteil, wir sind hier, um dich zu begleiten. Es gibt da eine Abkürzung zum Markt. Wir zeigen sie dir. Gleich hier, die Gasse hinunter.«
    »Aber ich kann den Markt von hier aus sehen!«, w i dersprach ich töricht. Das Mädchen wollte mir seine Hand entziehen, aber ich hielt sie eisern fest. Plötzlich kannte ich meine Pflicht. Ein Gentleman beschützte i m mer Frauen und Kinder. Mir war instinktiv klar, dass di e se Burschen meiner Begleiterin nichts Gutes wollten. Unbedarft, wie ich war, wusste ich freilich nicht, was sie mit ihr vorhatten, sonst hätte ich mich vielleicht etwas weniger dumm angestellt. So aber war ich nur umso f e ster entschlossen, sie zu beschützen. »Gebt den Weg frei!«, forderte ich sie erneut auf.
    Aber sie rückten uns nur noch näher auf die Pelle, und widerwillig traten das Mädchen und ich einen Schritt zurück, um Raum zu gewinnen. Doch sie bedrängten uns erneut, und wieder traten wir ein Stück zurück. Sie drängten uns auf die Einmündung der Gasse zu, just so, wie Hunde Schafe auf einen Pferch zutreiben. Ich warf einen Blick über die Schulter auf die Jungen hinter uns, und Carky lachte hässlich. Als das Mädchen dieses L a chen hörte, blieb es stehen. Obwohl ich seine Hand fes t hielt, riss es sich von mir los. Die Jungen taten einen we i teren Schritt auf uns zu. Plötzlich kamen sie mir weit größer und hässlicher vor, als sie es gewesen waren, während ich ihnen bei ihrem Spiel zugeschaut hatte. Ich konnte sie riechen, ihre ungewaschenen Körper, ihren nach billigem Essen stinkendem Atem. Ich sah mich h a stig um und hielt nach einem Erwachsenen Ausschau, der uns hätte beispringen können, aber die Sonne brannte heiß vom Himmel, und dieser Teil der Straße war leer. Die Menschen hielten sich entweder in den kühleren G e bäuden auf oder waren auf dem Markt. Die Soldaten, die ein Stück weiter die Straße hinunter auf der Veranda der Kantine herumlungerten, unterhielten sich miteinander. Selbst wenn ich um Hilfe geschrien hätte, hätte wohl ke i ner von ihnen reagiert. Wir waren der
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