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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke
Autoren: Robin Hobb
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für sie gelohnt haben. Das gern i sche Volk hat die Pflicht, die Bejawi aus der Armut e m porzuheben und ihnen die Zivilisation zu bringen.«
    Ah. Das verstand ich. So, wie mein mühseliger Kampf mit der Mathematik mich eines Tages zu einem besseren Soldaten machen würde. Ich nickte und ritt weiter neben seinem Steigbügel, während wir uns dem Außenposten näherten.
    Die Ortschaft Franners Bogen war zu einem Tref f punkt für Händler geworden, an dem gernische Kaufleute überteuerte Waren an heimwehkranke Soldaten verkau f ten und auf dem Basar flachländische Handwerkserzeu g nisse und allerlei Plunder für die Stadtmärkte im Westen erwarben. Das Militärkontingent dort bildete mit seiner Kaserne und seinem Hauptquartier immer noch das Herz der Stadt, aber der Handel war zu ihrer neuen Existen z grundlage geworden. Außerhalb der befestigten Mauern war um die Flussbootdocks herum eine kleine Siedlung entstanden. Viele gemeine Soldaten ließen sich dort nach Ende ihrer Dienstzeit nieder und fristeten ihr Dasein mit den Almosen, die ihnen ihre jüngeren Kameraden z u steckten. Die Feste Branners Bogen musste wohl früher einmal strategische Bedeutung besessen haben. Jetzt aber war sie kaum mehr als ein ödes Provinznest am Fluss – eines von vielen anderen. Zwar wurden immer noch Tag für Tag die Fahnen gehisst, mit militärischer Präzision und viel Pomp und Getue, aber wie mein Vater mir wä h rend des Rittes dorthin erzählte, war der Militärdienst in Franners Bogen heute ein bequemer Posten, eher eine Belohnung für ältere oder Versehrte Offiziere, die noch nicht in den Ruhestand treten und zu ihren Familien z u rückzukehren wollten.
    Der einzige Grund für unseren Besuch dort war h e rauszufinden, ob mein Vater vom Militär den Auftrag für Schaffelle zur Polsterung von Sätteln würde bekommen können. Meine Familie war damals gerade dabei, sich auf die Schafzucht zu verlegen, und mein Vater wollte sich zuerst einen Absatzmarkt sichern, bevor er weitere hohe Summen in die dummen kleinen Viecher investierte. So sehr es ihm zuwider war, den Kaufmann zu spielen, so sehr war ihm daran gelegen, als neuer Edler die Invest i tionen zu tätigen, die seinen Besitz mehren würden. »Ich möchte deinem Bruder keinen leeren Titel übergeben, wenn er großjährig wird. Der künftige Lord Burvelles muss über ein Einkommen verfügen können, das ihm einen Lebensstil erlaubt, der eines Edlen würdig ist. Du magst vielleicht glauben, das habe nichts mit dir zu tun, junger Nevare, da du als Zweitgeborener ja Soldat we r den musst. Aber wenn du ein alter Mann bist und dein Soldatenleben vorbei ist, wirst du auf das Gut deines Bruders zurückkehren können, um dort deinen Ruhestand zu genießen. Du wirst den Rest deiner Tage in Breittal verbringen, und von der Höhe der Einkünfte, die das Gut dann abwerfen wird, wird abhängen, wie gut du deine Töchter verheiraten kannst, denn es ist die Pflicht eines edlen Erstgeborenen, für die Töchter seines Soldatenbr u ders zu sorgen. Es ist wichtig, dass du über diese Dinge Bescheid weißt.«
    Damals verstand ich nur wenig von dem, was er mir erzählte. In letzter Zeit sprach er mit mir doppelt so viel wie je zuvor, und ich hatte den Eindruck, dass ich nur die Hälfte von dem verstand, was er mir sagte. Erst vor ku r zem hatte er mich von meinen Schwestern und ihrem sanften, fröhlichen Spiel getrennt. Ich vermisste sie schrecklich – ebenso wie die Aufmerksamkeit meiner Mutter und das herrliche Gefühl, von ihr verwöhnt zu werden. Die Trennung war jäh vonstatten gegangen, nachdem mein Vater entdeckt hatte, dass ich den größten Teil meiner Nachmittage damit verbrachte, im Garten »Teegesellschaft« mit Elisi und Yaril zu spielen, und dass ich sogar eine Puppe »adoptiert« hatte, die ich zu unseren kindlichen Festivitäten mitnahm und mit mir herumtrug. Dies beunruhigte meinen Vater aus Gründen, die ich als Achtjähriger nicht zu begreifen vermochte. Er hatte meine Mutter in einer in gedämpftem Ton geführten »Aussprache« hinter den geschlossenen Türen des Salons gescholten und mit sofortiger Wirkung die volle Veran t wortung für – und Kontrolle über – meine Erziehung an sich gezogen.
    Meine Schulbuchlektionen wurden ausgesetzt, bis der neue Hauslehrer eintraf, den mein Vater eingestellt hatte. Bis dahin durfte ich ihm nicht einen Schritt von der Seite weichen, außer wenn er mich mit irgendwelchen lan g weiligen Botengängen beauftragte, und ständig hielt er
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