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Nevare 01 - Die Schamanenbrücke

Titel: Nevare 01 - Die Schamanenbrücke
Autoren: Robin Hobb
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und ihre Stimme klang ruhig und drohend zugleich.
    »Aber … dein Eisenhalsband!« Nur einer der beiden begehrte auf. Er starrte sie mit offenem Mund an, b e stürzt und beleidigt, als habe sie die Regeln eines Spiels verletzt. Der andere ließ meinen Arm los und flüchtete, laut jaulend wie ein getretener Hund, obwohl ich fast sicher bin, dass ihm nichts Ernstes geschehen war. Sie schenkte dem Einwand des Jungen keine Beachtung. Stattdessen begann sie mit den Fingern wieder dieses Zeichen in der Luft zu beschreiben. Der Junge wartete nicht, bis sie damit fertig war. Er wusste ebenso gut wie ich, dass ein Flachlandzauber eine beschränkte Reichwe i te hatte, und schubste mich so heftig auf sie zu, dass ich vor ihr in den Dreck fiel. Dann rannte er so schnell er konnte hinter seinem Freund her. Carky hatte sich bereits aus dem Staub gemacht; er hatte sich nach seinem Sturz aufgerappelt und war hinter der Ecke eines Gebäudes verschwunden. Während Raven vom Boden aufstand, half sie mir auf die Beine. Sie wandte sich zu ihm um und sagte mit einer Stimme, als wünsche sie ihm einen guten Tag: »Schwarze Farbe auf Bronze. Kein Eisen. Mein Vater würde niemals einem von uns Eisen anlegen. Er bringt sein Eisen nicht einmal mit ins Haus.«
    Raven wich langsam vor uns zurück. Sein Gesicht war rot vor Wut, und seine schwarzen Augen loderten hasse r füllt. Sobald er glaubte, außerhalb der Reichweite ihrer Magie zu sein, blieb er stehen und belegte sie mit den übelsten Flüchen und Verwünschungen, die ich je gehört hatte – mit Wörtern, deren Bedeutung ich nicht kannte, von denen ich nur wusste, dass sie schlimm sein mussten. Seine Tirade gipfelte in der hasserfüllten Beleidigung: »Dein Vater hat Schande über sich gebracht, als er seine Rute in deine Mutter steckte. Er hätte das besser bei einer Eselin gemacht; dann wäre wenigstens ein echtes Mau l tier dabei herausgekommen. Denn nichts anderes bist du: ein Maulesel. Ein Maultier. Eine Kreuzung. Ein Mo n strum. Du kannst uns mit deiner schmutzigen kleinen Magie ärgern, aber eines Tages wird einer von uns dich blutigreiten. Du wirst schon sehen!«
    Er wurde immer lauter und kecker, und vielleicht glaubte er, mein weit aufgerissener Mund sei ein Au s druck meines Entsetzen über seine wüsten Beschimpfu n gen. Er irrte. Der Kundschafter, der sich ihm lautlos von hinten genähert hatte, packte ihn, und in einer einzigen fließenden Bewegung drehte er ihn herum und versetzte ihm einen furchtbaren Schlag ins Gesicht. Der Kun d schafter erlegte sich bei dem Schlag keine Zurückhaltung auf, nahm ihm nichts von seiner Wucht. Ich hörte das Knacken, und ich wusste, dass dies für lange Zeit die letzten üblen Beschimpfungen gewesen waren, die aus Ravens Mund kommen würden. Als wäre das Geräusch ein Zauberwort zum Hervorlocken von Zeugen gewesen, traten Männer aus dem Schatten der Veranda der Kaserne hervor und versammelten sich auf der Straße. Darda zog seinen Vater Vev an der Hand hinter sich her. Auch mein Vater war plötzlich da. Er kam wütend herangestapft, rote Flecken auf den Wangen. Alle redeten durcheina n der. Das Mädchen rannte zu seinem Vater. Er legte ihm die Arme um die Schulter, beugte sich zu ihm herunter und sagte leise: »Wir gehen jetzt, Sil. Sofort.«
    »Aber … ich habe es gar nicht bis zum Markt g e schafft! Es war nicht meine Schuld, Papa!«
    Vev hatte sich neben Raven niedergekniet. Er drehte sich um und schrie wütend: »Verdammt! Er hat meinem Jungen den Kiefer gebrochen! Er hat ihm tatsächlich den Kiefer gebrochen!«
    Immer mehr Männer kamen jetzt aus der Kantine. Im hellen Tageslicht blinzelten sie wie ein Rudel aufg e schreckter Nachttiere. Ihre Gesichter waren alles andere als freundlich, als sie erst den Kundschafter anschauten und dann den Jungen, der sich vor Schmerzen am Boden wand.
    »Nevare!«, herrschte mich mein Vater an. »Wieso bist du in diese Sache verwickelt? Wo ist Parth?«
    Auch Parth war inzwischen mit ein wenig Verspätung am Schauplatz des Geschehens eingetroffen. Sein Schnauzbart war noch nass vom Bier. Ich vermutete, dass er, als Vev plötzlich vom Tisch aufgesprungen war, n och rasch die Gelegenheit genutzt hatte, außer seinem eig e nen Krug auch den Rest von Vevs Krug herunterzustü r zen. Jetzt schrie er, alle anderen übertönend: »Gott sei gepriesen! Da ist ja der Junge! Nevare, komm sofort hierher! Ich habe dich überall gesucht. Du weißt doch, dass du dem alten Parth nicht weglaufen und dich vor ihm
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