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Neues Glück für Gisela

Neues Glück für Gisela

Titel: Neues Glück für Gisela
Autoren: Berte Bratt
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ihre eigenen delikaten Brötchen mit guter Butter und Mamas wunderbarer hausgemachter Kalbsroulade.
    Wieder erkannte sie ihre Machtlosigkeit. Sie wollte so gern helfen, so gern das teilen, was sie besaß, ihre materiellen Güter wie auch all die Liebe, mit der ihr Herz angefüllt war. Sollte sie denn Kinder nicht verstehen können, sie, die auf der Universität so viel über Kinderpsychologie gelesen hatte, die immer bei jeder Sache den Standpunkt der Kinder gelten ließ, sie, die so viel Mitleid besaß, so unendlich großes Interesse für Kinder, für kleine und große Kinder? Sie ging weiter. Sie fand keinen Grund und keinen Vorwand, Rolf anzusprechen.
    In einer anderen Gruppe sah sie Peter. Er stand da und schnitzelte mit einem neuen, blanken Messer an einem Stück Holz.
    Sie lächelte ihr gutes, freundliches Lächeln. „Nein, was für ein feines Messer du hast, Peter!“
    Ihre Stimme war hell und einladend. Eine Idee zu hell und zu eifrig einladend.
    Peter schaute einen Augenblick auf, auch die Umstehenden glotzten Gisela an. Es entstand ein kleines Schweigen, ein unbehagliches Schweigen. Da ging Gisela weiter, durch eine Mauer höflichen Schweigens. Überall stieß sie an diese Mauer.
    Die Kollegen waren freundlich zu ihr, mehr aber auch nicht.
    Sie erinnerte sich an kleine Bemerkungen, Worte, die dann und wann gefallen waren.
    Ihre neue geräumige Aktentasche lag auf einem Tisch im Lehrerzimmer. Eine prächtige Mappe aus braunem, biegsamem, starkem Leder mit extra Taschen und Riemen und Schlössern. „Was für eine prächtige Mappe“, sagte die Kollegin, Fräulein Seivag.
    Gisela lächelte: „Sie ist etwas groß. Aber ich habe sie so groß genommen, weil ich an den Haufen Aufsatzhefte dachte.“
    Fräulein Seivag strich mit der Hand über das neue, glatte Leder. Man konnte sehen, wie teuer die Mappe gewesen war, so deutlich, als ob der Preiszettel noch daran gehangen hätte.
    „Ja“, sagte Fräulein Seivag, „wer kann, der kann.“ Etwas Ähnliches hatte auch Frau Liboe gesagt, die Frau des Studienrats Liboe, die im ersten Stock des Hauses wohnte, in dem Gisela die Mansardenwohnung hatte. Frau Liboe war heraufgekommen, um einen Bescheid auszurichten, und Gisela beschäftigte sich gerade mit dem Ordnen ihrer Schubladen. Frau Liboe hatte einen Blick auf ein offenes Schubfach geworfen, wo Strümpfe und Strumpfhosen säuberlich sortiert lagen. Da waren helle, durchsichtige Sachen für den Sommer, da waren Stretchstrumpfhosen, da waren handgestrickte Sportstrümpfe, da waren warme wollene Strumpfhosen für den Winter.
    „Was für ein Reichtum!“ brach es aus Frau Liboe hervor. „Ja, wer kann, der kann!“
    Ein anderes Mal war Gisela im Laden im Erdgeschoß gewesen, um zu telefonieren. Sie bat um Entschuldigung und erklärte, dies wäre nun das letzte Mal, denn morgen sollte ihr eigenes Telefon installiert werden.
    „Brauchen Sie denn ein eigenes Telefon, wo Sie doch allein und den ganzen Tag weg sind?“ fragte Fräulein Nielsen im Laden.
    „Ja“, sagte Gisela. „Es ist doch nett, ab und zu ein Ferngespräch mit den Eltern zu Hause haben zu können. Und es ist ja auch beruhigend, Telefon zu haben, gerade dann, wenn man allein wohnt. Zum Beispiel wenn man plötzlich einen Arzt braucht oder die Feuerwehr.“
    Fräulein Nielsen zuckte die Achseln.
    „Nun ja. Wer kann, der kann.“
    „Wer kann, der kann“, das bekam Gisela ständig zu hören. Und das wurde mit einer so kühlen Stimme gesagt, die zurückgedrängten Neid verriet.
    Also wurde Gisela vorsichtig. Sie versuchte alles zu unterlassen, zu sagen oder zu tun, was auf ihren Wohlstand hinwies und auf die Sonderstellung, die sie innehatte, weil Geld für sie keine Rolle spielte. Gisela hatte, als sie einundzwanzig wurde, die Verfügung über eine ziemlich große Erbschaft erlangt. Sie war ihr ganzes Leben in guten, sehr guten Verhältnissen gewesen. Die Menschen ihres Umgangskreises, daheim in Ravensund, waren in derselben Lage, lauter alte, solide, wohlhabende Familien.
    Jetzt, da sie zum ersten Male anfing, über die Tatsache ihres Reichtums nachzudenken, machte er ihr keine Freude mehr.
    Im Gegenteil. Das Geld stand wie eine Scheidewand zwischen ihr und den Kollegen, zwischen ihr und den Schülern, zwischen ihr und der Welt, in die sie gern eindringen wollte.
    Es war an einem klaren Septembertag, als Gisela am Morgen zur Schule ging. An der Wegkreuzung traf sie Peter und die anderen Jungen, denen sie fast jeden Morgen begegnete.
    Sie begrüßte
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