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Neues Glück für Gisela

Neues Glück für Gisela

Titel: Neues Glück für Gisela
Autoren: Berte Bratt
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schmalen Fenstern. Früher war es sicher ein vornehmes Herrschaftshaus gewesen, vielleicht ein elegantes Einfamilienhaus, erbaut um die Jahrhundertwende. Jetzt wirkte das Haus schrecklich altmodisch und verwohnt.
    Aber es lag in schöner Umgebung. Das Grundstück war groß. Es gab sowohl Park als auch Wald und einen gepflegten Garten. Im Wald unterhalb des Grundstücks lag ein großer Teich, die Sonne beschien das stille Wasser, und es duftete würzig nach Nadelbäumen. Hier muß es schön im Frühling sein.
    Der Weg führte steil bergauf, sie mußte ihr Rad schieben. Auf der Vorderseite des Hauses war niemand zu sehen. Sie ging ums Haus herum, um den Eingang zu finden. Hinter dem Haus war ein großer Hof, wo sich einige Jungen im Hochsprung übten unter der Leitung eines jungen Mannes in kurzen Hosen und einem Polohemd.
    „Fein, Helge! Diesmal hast du es geschafft. Jetzt du, Finn. Denk daran, daß du nicht zu zeitig abspringst. Sollen wir ein Loch höher stecken? Okay, wie du willst.“
    Anlauf, Sprung, die Stange fiel herunter. Der junge Mann lachte. „Nein, Freundchen, du mußt wohl erst mit einer geringeren Höhe trainieren. -Ach so, du Schlingel, du willst wohl, daß ich mich jetzt blamieren soll? Na schön, ich will’s versuchen. Ihr dürft auch lachen, wenn es schiefgeht. Lege die Stange wieder auf, nein, zwei Löcher höher, wennschon, denn schon…“ Der junge Mann nahm Anlauf, und sein geschmeidiger Körper schwang sich darüber.
    Die Jungen klatschten. Gisela stand still und schaute zu. Das paßte nicht in das Bild, das sie sich von den armen Knabenheimkindern gebildet hatte.
    Jetzt gab der Trainer noch ein paar Bescheide, dann entfernten sich die Jungen, und er selbst wollte gerade ins Haus zurückgehen. Da erblickte er Gisela. „Guten Tag…“
    Seine Augen waren blau und fragend unter einer blonden Mähne und einer schweißbedeckten, sonnenverbrannten Stirn. Seine Arme waren braun, und die Muskeln lagen wie aus Stahl unter der Haut.
    „Guten Tag. Können Sie mir sagen, wo hier das Büro ist?“ fragte Gisela. „Das Büro? Ja, wen wünschen Sie denn zu sprechen? Den Heimleiter?“ Seine Augen waren blank, voller Güte und lächelnder Freundlichkeit. Gisela faßte sofort Zutrauen zu diesen Augen.
    „Ja, darauf können Sie Gift nehmen, allerdings will ich mit dem Heimleiter sprechen“, fuhr es aus ihr heraus.
    Er lachte. „Armer Mann. Sie sehen aus, als ob Sie ihn fressen wollten.“ Da mußte auch Gisela lächeln. „Da fehlt wirklich nicht viel. Ich habe ihm jedenfalls ein paar Sachen zu sagen, und ich beabsichtige, die sehr deutlich zu sagen.“
    „Ich wiederhole: armer Mann!“ lächelte er. „Gehn Sie dort beim Haupteingang hinein, und dann finden Sie das Büro gleich unten im Korridor rechts. Und viel Vergnügen!“
    Gisela zögerte ein wenig. „Ist er… ist er sehr schwierig, ich meine so im Gespräch?“ Der junge Mann dachte etwas nach.
    „Aufrichtig gesagt – ja“, gab er zögernd zu, „er hat seine fixen Ideen. Und wenn Sie beabsichtigen, daran zu rütteln, werden Sie, wie ich fürchte, nicht weit kommen.“
    „Ich werde sowohl ihn wie seine fixen Ideen tüchtig rütteln und ihm alles sagen, was ich von ihm denke“, versicherte Gisela, und es war Marius Ryssels Blut, das zornig in ihren Adern pulsierte.
    Sie nickte dem jungen Sportlehrer zu und ging in der Richtung des Haupteingangs. Hinter ihrem Rücken schlich der junge Mann in den Kücheneingang hinein.
    Die Haustür stand offen, und Gisela trat ein. Der Korridor war lang, halbdunkel und kühl. Durch eine offene Tür erhaschte sie einen Blick in ein großes Eßzimmer. Zwei lange Tische, mit weißem Wachstuch bezogen, weiße Emailleteller mit blauem Rand und Becher. Es war augenscheinlich zum Abendessen gedeckt. Das Ganze wirkte unendlich armselig.
    Am Ende des Korridors fand sie eine Tür, auf der mit schwarzen Buchstaben „Büro“ aufgemalt war. Sie klopfte an, und eine Stimme antwortete: „Herein!“
    Gisela faßte sich ein Herz und öffnete.
    Es war ein kleines Zimmer, spartanisch ausgestattet mit einem einfachen Tisch, einem Rollschrank, einem Bücherregal und ein paar Stühlen.
    Hinter dem Tisch saß ein Mann. Ein Mann mit lächelnden blauen Augen unter einem hellen Haarschopf, ein Mann, der sich erhob, als sie eintrat.
    „So, bitte, jetzt stehe ich zu Diensten. Es war doch so, daß Sie mich fressen wollten?“
    „Sind Sie…?“
    „Doch ja, ich bin es schon. Und wer sind Sie, wenn ich fragen darf?“
    „Gisela
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