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Neue Zeit und Welt

Neue Zeit und Welt

Titel: Neue Zeit und Welt
Autoren: James Kahn
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ihr auf die Gesichter nieder, die Spinnen bebten.
    Das, in der Karmindüsternis, war die Rote Königin.
    Die Vampire vor dem Altar wandten sich ihr zu. Sie waren sichtlich betroffen.
    Die rote Frau schrie: »Gos! Vhu! Ihr habt gegen mein Gesetz verstoßen!«
    »Wir hatten vor deinem unsere eigenen Gesetze«, fauchte der Vampir namens Gos; sein Zorn war Sieger über die Furcht.
    Die Rote Königin hob die Hand. Aus ihren Fingerspitzen schossen grüne Flammen. Sie fegten durch die Lichtung und hüllten den Kopf des Vampirs ein, der ihr widersprochen hatte, ein Alptraumlohen. Er rannte schreiend in den Urwald, das Gesicht in Flammen.
    Der zweite Vampir sank auf die Knie und entblößte vor der roten Frau den Nacken.
    »Meine Königin, verzeih mir.«
    »Ihr wagt es, euch diese alten Riten zu leisten«, zischte sie. »Ich habe sie verboten.«
    Der blutende Mensch auf dem Altar regte sich. Der Junge im Gebüsch verfolgte alles.
    »Ich suhle mich in den schwarzen Träumen meiner Vorfahren«, sagte der kniende Vampir.
    »Du musst Buße tun«, erklärte die Rote Königin ruhiger. Zwei junge Harpyien stürzten mit einem Ball übereinander, und auch das trug dazu bei, die Spannung zu lösen. Jemand klapperte mit einem Topf. Eine Echse bellte.
    Bevor der Junge noch mehr hören konnte, wurde er von fünf Wesen gepackt. Wären sie weniger gewesen, sie hätten ihn nicht halten können. Die Python wand sich um seine Beine – die anderen schleppten ihn in die Lichtung. Alles kam zum Stillstand.
    Man zerrte ihn vor die Rote Königin und hielt ihn dort fest, damit sie ihn betrachte, entscheide, urteile. Er blickte hinauf zur mächtigen Gestalt, deren Kopf in den Dunst hineinragte, die Muskeln angespannt.
    »Lasst ihn los«, sagte sie leise.
    Man zögerte kurz, gehorchte aber dann der Herrscherin. Der Junge stand aufrecht und sah die prachtvolle Frau an, deren machtvoller Körper in der lastenden Nacht schimmerte.
    »Ollie«, flüsterte sie.
    »Jasmine«, gab er zurück.
    Sie stürzten aufeinander zu und umarmten sich vor den erstaunten Blicken der Lagerinsassen, bis sie keine Luft mehr bekamen.
     
    Sie saßen allein in Jasmines Königszelt und erzählten einander für den Rest der Nacht und in den folgenden Tag hinein.
    »Wo bist du gewesen?« fragte sie. »Wie gehe es dir? Wo ist Josh? Was machst du hier?«
    »Mir geht es – gut«, sagte Ollie lächelnd. Er stockte beim Sprechen manchmal und hatte die Angewohnheit, mit Worten so geizig zu sein wie ein Geizhals in der Höhle. »Und dir?«
    Jasmine – nun Königin Rotmasque – hatte nie mit Worten gegeizt und begann sofort ausführlich zu berichten.
    »›Mir geht es gut, und dir?‹ Ist das eine Antwort nach zwei Jahren? Das ist Joshuas Einfluss, des schweigsamen Schreibers. Mir? Natürlich geht es mir gut, ich bin hier seit, ach, fast zwei Jahren Königin des Dschungels – das fing bald, nachdem ich dich das letzte Mal gesehen hatte, an.
    Also, wie war das?« fuhr sie fort. »Als letztes hörte ich von euch, dass du zusammen mit Josh in der Nähe von Ma’Gas’ Ratten gefangen und Pelze an die Eisländer verkauft hast; Rose und Beauty versuchten östlich von Port Fresno Olivenbäume zu züchten; und Humbelly war bei der Flatterling-Wanderung von ’25 eines natürlichen Todes gestorben. Wir trafen uns, wie ich mich entsinne, bei Newport wieder. Eine herrliche Zusammenkunft, wie ich noch weiß. Dann ging ich für eine Zeit zu den Feuerhöhlen.« Sie merkte selbst, dass sie alles ein wenig durcheinander brachte, wollte aber nicht aufhören – hier saß ein alter Freund aus entlegener Vergangenheit, und Jasmine schäumte über von Worten.
    Ollie zog die Brauen zusammen.
    »Beim Mount Venus? Da ist jetzt alles Eis.«
    »Der Teil des Landes liegt schon seit Jahren unter dem Eis. Und trotzdem gibt es dort eine Stadt – unter dem Eis. Eine Stadt von Neuromensch-Wissenschaftlern, vor allem Biotechnikern. Sie benützen die Feuerhöhlen als Energiequelle für die Stadt. Dort ist eine ganze Reihe interessanter Projekte im Gange, wie ich feststellen konnte, darunter auch eines, das ich genützt habe – man bearbeitet die Körper von alten Neuromenschen wie mir.
    Man brachte alle meine Teile wieder auf Höchstleistung, zog neu die Schaltungen, die bei meinem Duell mit der Maskierten durchtrennt worden waren, füllte mir ein neuentwickeltes Hämo-Öl ein, das fast nie ausgetauscht werden muss. Ich sage dir, ich fühle mich wie neugeboren. Aber das war noch nicht alles. Man gab mir ein paar
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