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Neue Zeit und Welt

Neue Zeit und Welt

Titel: Neue Zeit und Welt
Autoren: James Kahn
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Schreibern, hatte aber der Religion an dem Tag entsagt, an dem er aus dem Vampir-Harem entkommen war. Worte hatten ihn weder gerettet noch getröstet – das war seinen Freunden gelungen, durch List und Gewalt. Das heilige geschriebene Wort war, wie er entschieden hatte, so fadenscheinig wie das Papier, auf dem es stand.
    Seine Einstellung war für seinen Bruder Josh eine Qual gewesen, aber nach einer gewissen Zeit hatten sie nicht mehr darüber gesprochen. Es war einfach ein trennender Punkt mehr gewesen. Jasmine wusste das meiste davon oder las es zwischen den Zeilen von Ollies Schilderung. Auf jeden Fall ging er nicht weiter darauf ein, sondern schwieg kurze Zeit und sprach dann weiter.
    »Ich ging also fort. Ging auf ein Piratenschiff in Ma’Gas’ und fuhr ein Jahr zur See. Lernte Schnelligkeit und Hinterlist. Hatte eine Weile eine Piratenbraut, verlor sie aber bei einem Kampf mit ESS-Leuten vor der Küste von Baja. Ich hätte es mir vorher denken können.«
    Jasmine fragte sich, ob er damit meinte, er hätte sich vorher denken können, dass er nicht gegen Erweckte See-Soldaten in deren eigenen Gewässern kämpfen, oder dass er sich an niemand hätte anschließen sollen.
    Er schwieg kurze Zeit bei dieser heiklen Erinnerung.
    »Dann gab ich die Seefahrt auf. Habe ein bisschen geschmuggelt. Verfolger ins südöstliche Terrarium geführt und ein paar von den Vampirkolonien ausgeräuchert. Man kann sie aber nicht alle ausräuchern – es sind zu viele, weißt du. So oder so hat man am Ende das Blutfieber. Wo ist also der Sinn?«
    Die Hepatitis war in den Vampirkolonien verbreitet – manche nannten die Leberentzündung ›Blutfieber‹. Es gab aber noch eine andere Art von Fieber, die das Gesicht rötete: die Fieberhaftigkeit der Mordlust. Jasmine hatte den Argwohn, dass Ollie im Begriff stand, von diesem Leiden erfasst zu werden. Sie sah mit Beruhigung, dass er sich des Schwindels dieser Bluthitze bewusst gewesen war und sie ihm missfallen hatte.
    »Ich ging also wieder zu Josh zurück«, fuhr er fort. »Wir lebten in seinem Camp in den Sattelbergen. Wir jagten. Abends schrieb er in sein Tagebuch, ich spielte die Flöte. Dann kam vorige Woche Rose zu Besuch.« Er schob die Unterlippe vor.
    »Rose!« Jasmine lachte. »Und wie geht es ihr?«
    Rose war Joshs Frau. Zusammen mit Ollie war sie aus der Festung gerettet worden, aber sie hatte vorher einen Preis entrichtet: eine Gehirnoperation zu Versuchszwecken.
    Ollie sprach weiter.
    »Sie lebte bei Beauty – jedes Jahr zogen sie natürlich weiter nach Süden. Das Eis treibt uns alle, du hast es schon gesagt. Beauty war unterwegs, um die Ostseite der Sattelberge zu erkunden – er wollte sich uns wieder anschließen, sobald er einen guten Platz gefunden hatte, wo man sich niederlassen konnte.
    Josh war sehr glücklich, Rose zu sehen. Ich hatte ihn noch nie so glücklich gesehen. Aber Rose erschien mir merkwürdig.«
    »Was meinst du?« fragte Jasmine, die sich plötzlich eines düsteren Untertons im Bericht des Jungen bewusst wurde.
    »Abwesend; nicht, wie sie früher war. Verstört. Und dann, eines Nachts, traf sie sich mit jemand. Ich weiß nicht, mit wem, es war zu dunkel, und als ich die Stelle erreichte, waren sie beide fort, und Rose erschien im Camp, ohne ein Wort darüber zu verlieren. Aber ich bin am nächsten Morgen zu der Stelle, wo sie sich getroffen hatten, noch einmal hingegangen … und habe das gefunden.« Er gab Jasmine einen kleinen viereckigen Gegenstand aus Kunststoff. Er war flach wie ein Deckel, hatte rundherum einen erhöhten Rand, und aus der Mitte ragten neun kurze Zacken heraus.
    »Das ist ein Stecker«, sagte sie ernst. Es war aber mehr als ein Stecker – ein Zeichen. Und blitzartig hatte Jasmine eine Vorahnung kommender Dinge.
    »Was ist das?«
    »Erzähl weiter. Ich erklär’s dir gleich.«
    »Na ja, ich ging ins Camp zurück, und Rose war wieder fort. Nur kam sie diesmal nicht wieder. Aber das war nicht alles, was verschwunden war. Erinnerst du dich an den Drahthelm, den Josh immer trug?«
    »Ja.« Sie nickte. Es war mehr Kappe als Helm, aus einem Drahtnetz gefertigt, und Josh hatte sie in fünf Jahren nicht einmal abgenommen. Bekommen hatte er sie von Rose, damit er vor Radiowellen geschützt sei, die der Computer in der Stadt ohne Namen aussandte. Es waren Frequenzen gesendet worden, die im Gleichklang mit den Frequenzen von Joshs Hirnwellen schwangen und Krämpfe in ihm auslösten, die zu Anfällen führten und ihm zum Ursprung der
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