Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Neue Zeit und Welt

Neue Zeit und Welt

Titel: Neue Zeit und Welt
Autoren: James Kahn
Vom Netzwerk:
mit ihren langen Greifzungen ab – als Vorbereitung auf das Töten.
    Der Genuss blieb ihnen versagt.
    Er machte zwei mit exakt geführten Stichen seiner Fingernägel blind. Den dritten tötete er gleichzeitig mit einem Tritt in die Kehle. Dann sprang er auf und tötete die beiden anderen mit seinem Messer, bevor sie anfangen konnten, zu heulen. Er blieb noch kurze Zeit stehen, um wieder zu Atem zu kommen; dann eilte er weiter.
    In diesem Bereich des Stroms lebten riesengroße, pelzbedeckte, wassermelonengroße Spinnen; zweimal wurde er von Rudeln angegriffen. Aber bei der ersten Berührung eines Spinnfadens folgte er diesem blitzschnell zu der Spinne, die ihn angespuckt hatte – sie waren samt ihrer Hinterhältigkeit keine gewandten Tiere – und tötete mit schnellem Messerstoß oder schwerem Steinbrocken. Zwei solche Begegnungen, und die Spinnen gaben es auf.
    Der Junge glitt wie ein Nebelstreif dem Lager des Stammes entgegen. Es war ihre Königin, auf die er es abgesehen hatte; er musste sie fassen. Seit sieben Tagen war er auf der Spur und hatte den Weg hierher mit einer bedächtigen, überlegten Dringlichkeit gesucht, typisch für die beiden Seiten seines Charakters: Berechnung und gezügelte Leidenschaft. Das verlieh ihm etwas Gehetztes.
    Schritt für Schritt näherte er sich dem Ziel; er rückte heran wie ein schwer zu fassender Verdacht. Wenn ihm ein Wesen in den Weg geriet, tötete er es, ohne viel dabei zu empfinden. Ein Schritt, ein Tod – ihm war das alles eins.
    Bis der Vampir aus dem Tuli-Baum herabschoß, um seine eisigen Fänge in den Nacken des Jungen zu schlagen. Dies war kein beliebiges Handgemenge; der Junge tötete Vampire mit besonderer Lust.
    Ohne den elektrisierenden Schmerz der Zähne in seinem Nacken zu beachten, stieß er die harten Finger in den Mund des Dämons und riss mit zwei heftigen Drehrucken dem Vampir beinahe den Kiefer aus.
    Der Vampir kreischte und sprang vor Fassungslosigkeit zurück; der linke Kinnbacken hing auf sonderbare Weise herab, ausgehängt. Einer der Fänge war im Nacken des Jungen abgebrochen. Sie starrten einander bösartig an und umkreisten sich.
    Wieder griff der Vampir mit ausgebreiteten Flügeln an. Aber der Junge hatte ihn so entnervt, dass er die Attacke nicht richtig berechnete. Der junge Mensch wich aus und traf den Vampir über der rechten Niere mit dem Messer – zweimal, hinein und heraus mit solcher Schnelligkeit, dass er noch zweimal hätte zustoßen können, bevor der Vampir sich herumdrehte; aber er wollte einen langsamen Tod. Er war sonst nie so grausam; nur bei Vampiren.
    Das verwundete Wesen wankte davon in einen Mooshain. Der Junge ließ es ziehen und fuhr fort, das Lager der Königin auszuspähen.
    Der Regen hörte auf, der Dampf kehrte zurück. Der Morgen ließ nur noch eine Stunde auf sich warten, als er vorsichtig unter ein Dickicht aus stacheligen Orchideen kroch. Schließlich sah er durch verfilzte Ranken das Biwak. Zelte, Lagerfeuer, ein Bach. Ein Altar. Brüller, Frangols, Spinnen, Vampire, Harpyien, zwei Neuromenschen, vermutlich Zidonen; Schlangen, Katzen, ein paar Greife.
    Der Junge hielt von seinem geschützten Platz Ausschau, völlig regungslos, in der Minute kaum zweimal lautlos atmend. In der Lichtung ging das Treiben ungestört weiter. Manche Wesen schliefen, andere hielten Wache. In einer Ecke legten Spinnen Eier in ein aufgerissenes Loch, das sie in den Bauch eines sterbenden Gorillas gefetzt hatten. In der Nähe des größten Lagerfeuers säugte eine Sphinxmutter ihr Baby an der Brust.
    Die Aufmerksamkeit des Jungen richtete sich auf eines der ferner stehenden Zelte, aus dem zwei Vampire einen sich schwach wehrenden Menschen schleppten. Sie zerrten ihn zum Steinaltar in der Lagermitte, schlugen die Zähne in die Handgelenke des Menschen und begannen das Blut aus den Wunden zu saugen. Der Mensch wurde ohnmächtig. Die beiden Vampire zeichneten mit seinen blutenden Handgelenken Ritualmuster auf den Altarstein. Der Junge, der aus dem Dickicht zusah, biss die Zähne zusammen – es kostete ihn größte Mühe, nicht in die Lichtung hinauszustürmen und die Vampire mit dem Messer zu durchbohren.
    Plötzlich sprang aus einem größeren Zelt eine Gestalt, ein Wesen von derart überwältigender Erscheinung, dass alle anderen dagegen einzuschrumpfen schienen. Es war eine Frau.
    Eine hochgewachsene, nackte Frau, rot von Haut und Haar, mit schwarzumrandeten Augen und einer Juwelenkrone, die ihren Kopf umrahmte. Die Brüller fielen vor
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher