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Nett ist die kleine Schwester von Scheiße

Nett ist die kleine Schwester von Scheiße

Titel: Nett ist die kleine Schwester von Scheiße
Autoren: Rebecca Niazi-Shahabi
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seine Weigerung, den Gottesdienst zu besuchen, fleißige Kirchgänger darauf aufmerksam, dass ein Kirchgang nur dann etwas wert ist, wenn er aus Überzeugung erfolgt.
     
Wer sich schlecht benimmt,
strahlt Macht aus.
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    Es ist übrigens oft lediglich eine Frage der jeweiligen Macht, ob das Verhalten eines Menschen als schlecht oder gut, kultiviert oder vulgär empfunden wird. Dem einem werden aufgrund seiner Position viele Freiheiten eingeräumt, dem anderen lässt man nichts durchgehen. So hieß es beispielsweise bei den Weimarer Bürgern, welche bei Goethe zu Gast waren, »Goethe genießt den Wein«, wenn Goethe zum Abendessen zwei Flaschen Wein trank. Doch wenn Christiane Vulpius, seine Lebensgefährtin, zur Weinflasche griff, sagten die Leute: »Der arme Goethe – die Christiane ist wieder besoffen.« Goethe galt aufgrund seiner Herkunft als Ästhet und Weinkenner, Christiane, das einfache Mädchen, mit dem Goethe lange Jahre zusammenlebte und fünf Kinder hatte, als Säuferin.
    Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt kann rauchen, wo er will, sogar im Fernsehen, und jeder findet das toll. Der hochunsympathische Dieter Bohlen verdient mit seiner arroganten Art sogar eine Menge Geld, und Silvio Berlusconi ist immerhin Ministerpräsident von Italien. Ob nun neureiche Russen, in Hotels randalierende Popstars, egomanische Künstler – Ausschweifungen und absolutes Ignorieren jeder Norm sind seit jeher Ausdruck einer privilegierten Stellung.
     
    Natürlich gibt es immer noch Kreise und Funktionen, zu denen jemand keinen Zugang hat, wenn ihm der entsprechende Verhaltenskanon nicht geläufig ist. Aber allein mit gutem Benehmen lässt sich keine Schichtzugehörigkeit vortäuschen. So besagt eine Studie aus Deutschland von 2007, dass Juristen, deren Eltern dem Arbeitermilieu angehören, selbst bei Bestnoten kaum Chancen haben, in die Aufsichtsräte großer Unternehmen aufzusteigen, weil ihnen einfach der entsprechende Habitus fehlt: Diese Juristen benehmen sich gut – und zwar zu gut, denn die Selbstverständlichkeit, mit der diese Regeln beherrscht und eben auch gebrochen werden, ist das entscheidende Moment!
     
Das Studium der Manieren lohnt sich nicht:
Außerhalb des speziellen Milieus,
in dem man sie braucht, ist es nicht mehr nötig, innerhalb hoffnungslos.
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    Nicht jeder hat den Mut, Dinge zu tun, die andere niemals täten. Es ist jedoch Tatsache: Je mehr jemand in diesem Gesellschaftsspiel nach seinen eigenen Regeln spielt, desto interessanter und attraktiver wirkt er auf andere Menschen. Daraus folgt allerdings: Wer in Benimmseminare geht, um seine Außenwirkung zu verbessern, hat eigentlich schon verloren. Ihm fehlt grundsätzlich das Verständnis darüber, wie jemand Eindruck bei anderen hinterlässt, wie er sie reizt, bezaubert, fasziniert! Die entscheidende Frage hierbei ist nämlich nicht, wie man sich benimmt, sondern wie er eine Persönlichkeit wird. Friedrich Nietzsche hat in einem Satz zusammengefasst, wie man dies nicht wird: »Wer fragt, was er tun soll, wird die Tat nicht tun, die er tun muss.«
    Dr. Jürgen Stepien, Psychologischer Psychotherapeut, Psychoonkologe und Verfasser von zahlreichen Vorträgen zum Thema Eigensinn und Konfliktmanagement, hat beobachtet:
    »Viele Menschen stecken viel Zeit und Energie hinein, ihre Eigenarten zu überwinden. Danach zu streben, sich so zu verhalten, dass einem nichts – nämlich die eigene Persönlichkeit – vorgeworfen werden kann, ist aber ein Verrat an sich selbst. Wer jedoch nicht eigensinnig lebt, schneidet sich ab von seiner eigenen Lebendigkeit. Ein hoher Preis. Eigensinnig zu sein, bedeutet immer erst auch, ausgestoßen zu werden. Weil man Fehler macht und Regeln verletzt. Wer beginnt, eigensinnig zu sein, wird sofort mit den Ansprüchen seiner Umgebung konfrontiert. Egoismus und Rücksichtslosigkeit heißen die moralischen Vorwürfe der Leute, deren Interessen man beschneidet. Man braucht Mut, um sich die Treue zu erweisen und es nicht immer anderen Leuten recht zu machen. Aber paradoxerweise sind es gerade die eigensinnigen Leute, die deutlicher gemocht und deutlicher respektiert werden!«
     
»Wer die Einhaltung gesellschaftlicher
Umgangsformen einfordert, hat das Wesen
der Manieren nicht verstanden.«
Asfa-Wossen Asserate, Autor von »Manieren«
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    Wer mehr Manieren fordert, reduziert das Gesellschaftsspiel »Manieren« auf einen einzigen Spielzug. Abgesehen davon ist dieses Einfordern der Bruch der Spielregel Nummer eins: Sich
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