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Nesthäkchen 03 - Nesthäkchen im Kinderheim

Nesthäkchen 03 - Nesthäkchen im Kinderheim

Titel: Nesthäkchen 03 - Nesthäkchen im Kinderheim
Autoren: Else Ury
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Annemarie aber hatte das Ausschmücken der Burg mit Blumen übernommen. Dem lebhaften Wesen des kleinen Mädchens dauerte das Zusammensetzen der Muscheln zu Bildern viel zu lange. Eifrig bewunderte sie, wie ein Gänschen nach dem anderen unter Kurts und Gerdas geschickten Händen entstand. Dazwischen aber hatte sie noch Zeit, nach den benachbarten Burgen zu schielen, ob sie auch nicht schöner wurden als die ihre.
    Da sah man einen Zeppelin aus Muscheln, ein Segelschiff und Dampfschiffe. Nanu, was bauten denn Gretchen und Eischen, die beiden kleinen Berlinerinnen, da drüben? Angestrengt äugte Annemarie hinüber zu den beiden.
    Herrje - das wurde ja der Struwwelpeter, nein, war das aber ulkig! Sein Zottelhaar war aus schwarzem Seetang vorzüglich nachgebildet, ebenso die langen Nägel.
    Hellauf mußte Annemarie lachen. »Gerda und Kurt, seht doch bloß mal, was Gretchen und Eischen Feines machen. Den Struwwelpeter - ach, die werden uns doch nicht etwa den ersten Preis fortschnappen?« Ein wenig ängstlich verglich sie die beiden Kunstprodukte, das friesische Gänsemädel und den Struwwelpeter, miteinander.
    Nein, Eischen und Gretchen schnappten ihnen nicht den ersten Preis beim Burgenwettbewerb fort. Und zwar aus dem einfachen Grunde, weil - sie selbst fort waren. Auch Gerda sollte nicht mehr den Erfolg ihrer Mühe ernten.
    Genau so, wie sich die Aufregung der noch anwesenden Kleinen am Vorabend des Kinderfestes in seliger Erwartung der Feier steigerte, stieg auch das Kriegsfieber der Großen. Die in Wittdün weilenden Offiziere waren am Nachmittag telegrafisch zurückgerufen worden - daß dies drohende Kriegsgefahr bedeutete, konnte sich jeder an den fünf Fingern abzählen.
    Herr und Frau Eberhard ließen sich in größter Hast bei Frau Clarsen melden.
    Schon mit dem nächsten Dampfer, der noch am Abend ging, mußten sie fort, Gerda natürlich mit ihnen.
    In Villa Daheim hatte man die Sachlage bisher gar nicht so ernst angesehen. Man lachte sogar über die Ängstlichen, die sich so schnell ins Bockshorn jagen ließen und Hals über Kopf davonfuhren. Es kamen ja noch täglich neue Badegäste an.
    Das wäre doch sicher nicht der Fall gewesen, wenn es gar so ernst draußen ausgesehen hätte.
    Jetzt freilich, wo die Offiziere abberufen wurden, kam auch den Damen in Villa Daheim die ernste Gefahr zum Bewußtsein. Es war ein Glück, daß die meisten ihrer Zöglinge ihre Angehörigen jetzt während der Ferien auf Wittdün hatten, da war Frau Clarsen der großen Verantwortung, für die rechtzeitige Heimreise der Kinder Sorge tragen zu müssen, enthoben. Ein Hamburger Kind wurde vom Vater am Donnerstag selbst geholt. Nur Annemarie, Kurt und Klein-Annekathrein waren ohne Angehörige auf Wittdün.
    Mit ungläubigen Augen sah Nesthäkchen zu, wie Frau Eberhard zusammen mit Tante Lenchen in höchster Eile Gerdas Sachen zusammenpackte.
    Was - heute noch sollte die Gerda fort, wo morgen das Kinderfest war, auf das sie sich beide so gefreut hatten? Wo sie beide weiße Stickereikleider wie Zwillinge anziehen wollten? Das war doch gar nicht möglich!
    »Ach, liebe Frau Eberhard, bitte, bitte, lassen Sie die Gerda doch noch wenigstens bis Freitag hier. Wir haben uns doch so auf das Kinderfest gefreut! Und mit wem soll ich denn da morgen überhaupt beim Fackelzug gehen, wenn die Gerda fort ist?« Annemarie mußte sich große Mühe geben, die Tränen der Enttäuschung zurückzuhalten.
    »Ja, mein Herzchen, der Krieg fragt leider nicht nach Kinderfest und Kinderwünschen. Ich wollte auch, die Abreise wäre nicht nötig. Aber wenn es sein muß, wenn der Krieg unabwendbar ist, müssen alle persönlichen Wünsche schweigen.
    Das könnt ihr Kinder, so jung ihr seid, auch schon begreifen. Die Großen wie die Kleinen müssen in solcher Zeit Opfer bringen«, sagte Frau Eberhard ernst.
    »Ja, aber - aber ich habe dann keine beste Freundin mehr hier im Kinderheim, wenn Sie mir die Gerda wegnehmen!« Jetzt ließen sich Annemaries Tränen nicht länger zurückhalten. Sie perlten und kullerten über die roten Backen, während sie den Arm fest, ganz fest um den Hals der Freundin schlang. Nein - solch ein großes Opfer konnte das Vaterland nicht verlangen!
    Auch die Augen des rotblonden Lockenköpfchens hatten sich mit Tränen gefüllt.
    Gerda ging der Abschied von der lustigen Annemarie ebenfalls nahe. Frau Eberhard wandte sich an Tante Lenchen.
    »Was meinen Sie, Fräulein Petersen, sollen wir Annemarie Braun mit uns nehmen? Wir fahren sowieso
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