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Nesthäkchen 03 - Nesthäkchen im Kinderheim

Nesthäkchen 03 - Nesthäkchen im Kinderheim

Titel: Nesthäkchen 03 - Nesthäkchen im Kinderheim
Autoren: Else Ury
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Kriegsnachrichten nicht.
    Auch der Strand, an dem vor zwei Tagen regstes Badeleben geherrscht hatte, war heute wie ausgestorben. Nur vereinzelte Familien sonnten sich noch im weißen Sand; nur wenige Kinder panschten und spielten noch am Wasser. Die verlassenen Strandkörbe wirkten trostlos.
    Nein, war das heute mopsig! Kurt hatte gerade seine Liegekur und las in seinem neuen Märchenbuch. Annekathrein, die sich gestern beim Kinderfest einen Schnupfen geholt hatte, sollte im windgeschützten Garten in der Sonne bleiben.
    So war Nesthäkchen ganz allein am Strand. Und das sollte nun alle Tage so sein, bis Mutti kam und sie mit nach Hause nahm? Nein, dafür dankte Annemarie. Sie fand es jetzt gar nicht mehr lustig an der Nordsee.
    Vielleicht war es im Garten hübscher. Da arbeitete Mutter Antje, mit der sie sich unterhalten konnte, und auch mit Annekathrein konnte sie dort spielen. Denn Tante Lenchen, die sie zum Strand begleitet hatte, war heute gar nicht zu einer Unterhaltung aufgelegt, die antwortete immer bloß »hm«, wenn Annemarie sie etwas fragte. Und dann las sie immerzu ihre ollen Zeitungen und machte ernste Augen. Oder aber sie sprach mit irgendeinem Bekannten, dann wurde ihr Gesicht noch sorgenvoller.
    Tante Lenchen war es recht, daß Annemarie bat, zu Hause im Garten spielen zu können. Sie wollte nochmal mit ihrer Schwester sprechen, ob es nicht doch ratsam sei, keine Depesche mehr abzuwarten und den nächsten Dampfer am Nachmittag mit den drei Kindern zu nehmen. Und sie hatte heute auch keine rechte Freude am Bade.
    Auf dem Rückweg kam ihnen oben am Friesenhäuschen eine bekannte Kapitänsfamilie entgegen.
    »Wissen Sie es schon, Fräulein Petersen«, rief man ihnen schon von weitem entgegen, »über Deutschland ist der Kriegszustand verhängt!« »Barmherziger Himmel - Gott schütze uns alle!« murmelte Tante Lenchen.
    Angstvoll klammerte sich Annemarie an ihre Hand.
    Da aber kam wieder Leben in die vor Schreck versagenden Glieder des jungen Fräuleins.
    »Ich muß sofort zur Landungsbrücke und hören, wann das nächste Schiff abgeht.
    Jetzt dürfen wir nicht länger zögern. Ich werde den Eltern telegrafieren, daß wir euch heimbringen, Annemarie.«
    »Aber Vater und Mutti sind doch gar nicht in Berlin, und Mutter Antje sagt doch, es gibt bestimmt keinen Krieg«, vergeblich rief es Annemarie hinter dem eilenden Fräulein her.
    »Morgen früh um halb neun geht das nächste Schiff erst«, wurde ihnen an der Dampferstation gesagt.
    Bis dahin konnte man mit allem fertigwerden. Wieder ging es im Trab die Treppen hinauf zur Post. Diese war von Menschen umdrängt; das ahnte man ja gar nicht, daß überhaupt noch so viele in Wittdün geblieben waren. Ein jeder gab dringende Telegramme in die Heimat auf. Auch Tante Lenchen setzte die Eltern der drei Kinder davon in Kenntnis, daß diese morgen zu Hause eintreffen würden.
    Etwas beruhigter ging sie nun mit dem Kind zur Villa Daheim zurück, wo Frau Clarsen noch gar keine Ahnung von dem geplanten schnellen Aufbruch hatte.
    Aber auch sie sah die Notwendigkeit jetzt ein.
    In fliegender Eile wurden die Koffer gepackt. Annemarie half, so gut sie konnte, durch Zureichen der Sachen. Heimlich aber wunderte sie sich über Tante Lenchen, die sonst ärgerlich war, wenn ihre Zöglinge nicht Ordnung hielten. Heute warf sie selbst alles, wie es gerade kam, in den feinen kleinen Reisekoffer von Annemarie. Nur schnell - man mußte das Gepäck noch am Abend aufgeben.
    Endlich konnte oll Vadder Hinrich alle Koffer auf Schubkarren zur Dampferstation hinunterbefördern. Tante Lenchen ging mit, um Fahrkarten zu lösen, Nesthäkchen, ihr getreuer Schatten heute, hinterdrein.
    Während Tante Lenchen Fahrkarten nahm, hörte Annemarie, die ihre Augen und Ohren überall hatte, das Telefon läuten.
    »Also letzter Dampfer heute nacht um halb zwei, morgen werden keine Schiffe mehr abgelassen«, deutlich vernahm sie, wie der Beamte die Meldung wiederholte.
    »Tante Lenchen«, Annemarie zupfte sie erregt am Blusenärmel, »wir können morgen früh nicht fahren, es geht kein Schiff mehr. Heute nacht geht das letzte, hat der Mann eben gesagt - aber da schlafen wir doch!«
    »Hast du dich auch nicht verhört, Annemarie, hat er auch nicht morgen mittag um halb zwei gemeint?« forschte das Fräulein in größter Aufregung.
    »Nee - nee - ich hab's deutlich gehört, aber Sie können ja lieber selbst noch mal fragen.«
    Das tat Tante Lenchen auch. Es stimmte - nachts um halb zwei ging der letzte
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