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Nessie und die Geister der MacLachlan

Nessie und die Geister der MacLachlan

Titel: Nessie und die Geister der MacLachlan
Autoren: Othmar Franz Lang
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Kilometer.
    „Hast du’s schon gesehen?“ fragte er jetzt und vergaß ganz, Madam zu sagen.
    „Was denn?“
    „Na, Nessie, selbstverständlich, das Ungeheuer vom Loch Ness.“
    Sarah entgegnete: „Hier am Loch hab ich immer nur ein Ungeheuer gesehen, und ich muß sagen, daß dies meine Schwester Jessie ist. Laß dich bloß nicht von ihr unterkriegen, Junge, hörst du! Ach, wenn ich denke, welch ungezogenes Mädchen sie war, immer hat sie die nettesten Freunde der MacLachlans vertrieben, immer. Auch meine Freunde. Und jetzt erzählt sie jedem, daß sie in ihrer Jugend geradezu eine Heilige war und ihren Eltern immer gehorsam.“
    „Das Wasser ist vom Wind ganz aufgerauht, außer diesem einen Boot da unten scheint sich nichts auf dem Loch abzuspielen. Oder siehst du mehr?“ lenkte Cedric ab.
    Sarah kam ganz dicht ans Fenster heran und sah mit zusammengekniffenen Augen hinaus. „Ich sehe nichts, ach ja, das Boot dort. Du darfst dir nicht einbilden, daß Nessie gleich am ersten Tag sichtbar ist. So leicht ist die Sache nicht. Aber warte...“ Sie lief aus dem Zimmer, und dann hörte Cedric sie im Flur kramen. Als er hinaustrat, hatte sie eine Art Seemannskiste geöffnet und wühlte da in alten Bändern, Schleiern und Schleifen, hob eine Zigarrenschachtel heraus und schüttelte sie.
    „Sammelst du Münzen?“ fragte sie. „Es sind sicher einige wertvolle dabei.“ Danach hielt sie ein flaches Päckchen in der Hand, in Seidenpapier eingeschlagen. Sie fragte: „Weißt du, was da drinnen ist?“
    Selbstverständlich wußte er es nicht.
    „Es ist eine Locke von Sarah MacLachlan, mein Lieber, willst du sie sehen?“
    „Ja“, sagte Cedric heiser.
    „Du mußt keine Angst haben, es ist keine Totenlocke, man hat sie ihr abgeschnitten, als sie etwa fünf Jahre alt war. “ Sorgfältig schlug Sarah das Seidenpapier auf, und da lag die Locke. Goldblond, mit einem ganz leichten Anflug von Rot.
    „Das wahre Gold“, sagte Sarah mit seltsamer Stimme.
    Und da sah Cedric plötzlich ein etwa fünfjähriges Mädchen neben Sarah stehen, von oben bis unten weiß gekleidet, mit weißen Strümpfen und Leinenschuhen, und das Haar des Mädchens, von einer weißen Schleife zusammengehalten, war genau wie das Haar im Seidenpapier. Von der gleichen goldblonden Farbe.

    Jetzt machte das Mädchen kehrt und lief den Flur entlang bis zur letzten Tür, und dort verschwand es, ohne die Tür zu öffnen.
    „Hast du sie gesehen?“ fragte Sarah.
    Er mußte sich räuspern, bevor er „ja“ sagen konnte.
    „Du brauchst keine Angst vor ihr zu haben, das ist die große Sarah gewesen, nach der sie mich getauft haben. Meine Großtante. Jessie sieht sie nicht, ist ja auch kein Wunder, wie die sich aufgeführt hat und noch immer aufführt.“
    Sarah wickelte das Haar wieder hübsch in Seidenpapier ein und legte es in die Truhe zurück. Jetzt hob sie sorgfältig einen Kilt hoch, und unter ihm lag, was sie suchte; ein Fernglas.
    „Das borg ich dir“, sagte sie. „Es ist das Fernglas meines Bruders Allan Campbell. Den wirst du auch öfter hier treffen. Aber das muß dich nicht stören. Er sitzt nur hier auf der Truhe, und die Uniform, die er anhat, das ist die Uniform des zweiundvierzigsten königlichen Hochlandregiments. Der Tartan seines Kilts ist der Black Watch, der wurde diesem Regiment zugeteilt.“ Sie zeigte ihm den Kilt. „Das ist er. Du siehst, er ist eher streng, schwarzgeränderte blaue Karos auf grünem Grund. Tja, Allan Campbell ist leider zu früh gestorben. Und bloß deshalb spielt Jessie sich so auf und meint, weil sie anderthalb Jahre älter ist, kann sie mir befehlen. Aber da hat sie sich geschnitten.“ Sie holte tief Luft und fuhr fort: „So, jetzt nimmst du dein Fernglas auf dein Zimmer, und solange du da bist, darfst du es haben, dann kehrt es wieder in die Truhe zurück.“
    Sarah klappte die Truhe zu, klopfte auf den abgerundeten Deckel und sagte noch einmal: „Wie gesagt, wenn ein Hochländer hier sitzt, dann mußt du nicht erschrecken. Er war immer ein gutmütiger Junge, niemandem hat er etwas zuleide getan.“
    „Sarah! Sarah, wo steckst du denn?“
    „Siehst du, sie kann einen keine Minute in Ruhe lassen. Bring das Fernglas auf dein Zimmer, und dann gehen wir gemeinsam hinunter.“
    Cedric lief mit dem Fernglas auf sein Zimmer und konnte sich nicht verkneifen, schnell einen Blick auf den abendlichen Loch zu werfen. Es gab jetzt glatte Stellen auf dem Wasser und dann wieder solche, über die fahriger Wind
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