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Nessie und die Geister der MacLachlan

Nessie und die Geister der MacLachlan

Titel: Nessie und die Geister der MacLachlan
Autoren: Othmar Franz Lang
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Steine.“
    „Wirklich?“ fragte Cedric unsicher.
    „Nein, ich mach nur Spaß, aber im allgemeinen mußt du hier schon auf manches gefaßt sein, sogar bei den zwei Tanten. Ist ja auch kein Wunder. Jetzt, da dort nur die schwarze Wolkenwand steht, haben wir ja herrliches Wetter, aber du mußt an den vielen Regen denken, der hier fällt, an den Wind, der Tag und Nacht um die Häuser pfeift. Die Baumgrenze ist schon hier auf den windgeschützten Hängen, also den Hängen an der Ostseite der Berge, bei sechshundert Meter. Auf der Westseite liegt sie gar bei zweihundert. Dadurch bekommst du den Eindruck, viel höher zu sein, als du wirklich bist, und in den sonnenarmen Monaten kommt noch der Nebel dazu. Kein Wunder, daß die Leute voller Spukgeschichten sind.“
    „Aber heute hab ich doch...“
    „Was hast du heute? Hast du etwa schon das Nessie gesehen?“
    „Nein, nur die große Sarah MacLachlan als kleines Mädchen.“
    „Hat dir Tante Sarah die Locke gezeigt?“
    „Ja, sie hat sie aus der Truhe geholt, und da stand das Mädchen mit den gleichen blonden Haaren plötzlich neben ihr.“
    Mac kratzte sich am Kopf und erklärte: „Also, da brauchst du dir keine Gedanken zu machen, dieses Mädchen gibt es. Es
    ist harmlos, du mußt dich nicht fürchten. Die große Sarah MacLachlan erscheint übrigens nicht nur als fünfjähriges Mädchen. Manchmal kommt sie auch als etwa Dreizehn-, Vierzehnjährige. So, wie sie auf dem Bild gemalt ist, das über dem Kamin hängt. Als ich so alt war wie du, hab ich sie selbst mal dabei erwischt, wie sie aus dem Bild gestiegen ist.“
    „Mac, jetzt hörst du aber auf!“ schrie Goody. „Ich denke, du bist ein aufgeklärter Mann.“
    „In Wokingham bin ich das, stimmt, Engelchen. Aber was ich hier gesehen habe, hab ich gesehen, und das laß ich mir auch von meiner Tochter nicht wegdiskutieren.“ Er wandte sich an Cedric. „Also, du mußt dir vorstellen, ich hatte eben im Kamin Feuer gemacht, das Holz begann gerade richtig zu prasseln, da steigt sie aus dem Bild. Sie ist da in einem Hochmoor gemalt, und der Maler erweckt den Eindruck, daß ein starker Wind bläst. Darum steht sie da mit langem wehendem Rock und zerzaustem Haar. Und ich sitze in einem schönen breiten Sessel und sehe, wie sie aus dem Bild steigt und zu mir kommt, sich neben den Sessel stellt, und ich rieche den Geruch des Hochmoores, den sie von draußen mit hereinbringt, und spüre den kalten Lufthauch von draußen. ,Na’, sag ich, ,wärmst du dich auf?“ ,Alleweil“, sagt sie, ,da oben riecht es schon nach Schnee.“ Und was soll ich euch sagen, am nächsten Morgen lag wirklich der Schnee fast einen Meter hoch da oben im Hochmoor.“
    „Quatsch“, rief Goody, „das ist alles nur Quatsch!“ Sie schien richtig verärgert, ja, sie schlug sogar auf Mac ein, was Mädchen doch im allgemeinen nie tun, am allerwenigsten bei ihrem Vater.
    Aber Mac regte sich gar nicht auf, er stopfte seine Pfeife und sagte: „Quatsch, das würde ich auch sagen, in Wokingham, aber nicht hier. Seit ich mit meinen Augen, hier mit diesen meinen Augen, gesehen habe, wie Allister MacLachlan aus der Mauer oben — weißt du, Cedric, die Mauer im Kaminzimmer an der Bergseite — heraustrat, mit dem Dudelsack in der Hand, und das Dudelsackspiel hatte ich vorher schon eine ganze Weile gehört, wußte nur nicht, woher es kommen könnte, seitdem kann mir keiner mehr erzählen, das sei Quatsch.“
    „Und Allan Campbell MacLachlan?“ fragte Cedric mit tonloser Stimme.
    „Hast du den etwa auch schon gesehen?“ wollte Mac wissen.
    „Nein, Tante Sarah hat nur von ihm erzählt.“
    „Ja, der sitzt manchmal oben im Flur auf seiner Truhe. Er ist ein trauriger Junge, starb an den Folgen eines Lungenschusses, hatte aber schon vorher was an der Lunge. Manchmal kann man, wenn sonst niemand im Haus ist, sein Husten hören. Und im Grunde hat ihn der Alte krank gemacht.“
    „Welcher Alte?“
    „Iain MacLachlan, dessen Mutter eine Sutherland war. Das ist der Vater von Sarah, von Allan Campbell und von Jessie, und er war unerhört streng, darum muß man den beiden Mädchen so manches nachsehen. Tante Sarah sagte mir mal, daß er alles, was jung und fröhlich war, tief gehaßt hat.“
    „Taucht der auch ab und zu auf?“ fragte Goody spitz.
    „Ja und nein. Es hat ihn noch keiner gesehen. Man hört ihn nur hin und wieder lachen. Kinder, ein Lachen ist das, da denkt man, man hat kein Blut mehr in den Adern, sondern nur noch Eis. Und Sarah sagt, sie
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