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Nero

Nero

Titel: Nero
Autoren: Ernst Eckstein
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Haupt.
    »Sein Sterben bewies uns das Gegenteil,« versetzte er nachdenklich. »Wie Sokrates trank er den Giftbecher ruhig und gleichmütig, als sei der Tod nur das Aufstehen von einem fröhlichen Gastmahl. Ich bekenne dir, Seneca hat mich besorgt gemacht.«
    »Ich begreife dich nicht,« meinte Poppäa. »Wenn er noch lebte, – wohl, so hättest du Ursache, ihn zu fürchten. Jetzt aber, da er den Lohn geerntet für seinen Treubruch, kann die Erinnerung unsern Stolz nur erhöhen, ebenso wie der Tod des herrischen Thrasea und des heuchlerischen Soranus.«
    »Auch Thrasea starb wie ein Held. Oft genug hörte ich die gefährlichen Worte nachsprechen, die er ausrief, als er die Hand mit den aufgeschnittenen Adern zum Himmel hob: ›Dir Zeus, Befreier, spende ich dieses Blut!‹ – Es klang heroisch, bei allen Göttern, peinvoll heroisch! Zehn Jahre gäb' ich darum, wäre er feig gewesen. Aber ich schweife hier ab. Was ich betonen wollte, liegt ja wo anders. Gestattest du, Herr, daß ich weiterrede?«
    »Immerhin,« lächelte Nero.
    »Die Verschwörung des Piso ist glücklich vereitelt worden. Du hast hier das Fatum besiegt. Aber wie kam das? Hätte sich Flavius Scevinus ruhiger verhalten, sich weniger theatralisch gebärdet – wer weiß, wer weiß . . . Milichus, der pfiffige Freigelassene, dem er den Dolch übergab, damit er ihn schleife, Milichus, dem er zurief: ›Diese Waffe ist heilig!‹, Milichus, mit dem er sein Testament aufsetzte – sieh, Herr, das war doch streng genommen die Quelle, aus der uns die Rettung entsprang. Hätte Milichus die Sache nicht in der zwölften Stunde noch angezeigt . . .«
    »Das ist's ja eben,« unterbrach ihn der Kaiser. »Mein Genius, der da mächtiger ist als das Schicksal, erweckte mir solche Bundesgenossen. Nein, Phaon, du bist ein Schwarzseher. Aber ich danke dir. Zweierlei hast du erreicht. Ich fühle jetzt doppelt, wie sehr mein Wohl dir am Herzen liegt – und doppelt, wie hoch ich stehe über dem Wechsel der Dinge.«
    So sprechend erhob er sich und trat an die Brüstung. Poppäa folgte ihm, während der Agrigentiner mit Phaon zurückblieb und ihm heimlich Vorwürfe machte über den unerquicklichen Ton, den er angeschlagen.
    »Herr,« sagte Phaon mit einem verzweifelten Blick in die Augen des Tadlers, »seit lange schon trug ich's hier auf der Seele, und nun endlich mußt' es herunter. Ich liebe ihn, denn von jeher hat er mir Gutes gethan; und überdies – wie er selbst ja gesagt hat – es ist, als ob ein verborgenes Band mich an ihn gekettet hielte. Mir scheint, ein offenherziger Warner ist nützlicher, als der liebenswürdige Schwärmer, der alles lichtblau und rosig malt.«
    »Du zielst auf mich. Aber ich male nicht, sondern ich lass' ihn die Wahrheit schauen. Das Reich des Nero strahlt wirklich in ambrosischer Himmelsfarbe; ersteht wirklich auf dem Piedestal uranionischer Größe. Ich glaube an die Unfehlbarkeit seines Glücks, das auch das meine ist. Geh! Du warst doch sonst kein thörichter Kopfhänger! Laß dir ein Mahl vorsetzen und berausch' dich in Cyprier! Dein Blut wird zu dick; du bedarfst einer Auffrischung. Im übrigen: alles ist vorbereitet. Mit Sonnenuntergang reisen wir.«
    Aehnlich wie Tigellinus zu Phaon, sprach Poppäa zum Kaiser. Auch sie war mit fortgerissen von dem Größenwahn, der da meint, er könne dem Schicksal Gesetze auflegen. In ihren sonst so weltklugen Augen blitzte etwas von der phantastischen Aufregung einer Prophetin.
    »Ja,« flüsterte sie, das erglühende Antlitz auf Neros Schulter geneigt, »wir sind und bleiben die Bezwinger der Moira. Kein Fürst der Erde hat solche Gefahren bestanden wie du, und keiner mit so olympischem Gleichmut auf sie herabgelächelt. Dein Glück ist beispiellos. Die Zukunft gehört dir und deinem Geschlecht.«
    Mit erkünstelter Schamhaftigkeit schlug sie die Augen nieder.
    »Poppäa . . .« flüsterte Nero zärtlich.
    »Ja,« fuhr sie fort, »ich fühle es mit unmittelbarem Gewißheit: das Kind, das ich unter dem Herzen trage, wird ein Knabe sein und das Ebenbild seines Vaters. Dereinstens, wenn wir längst unter den Schatten weilen, wird das Haus der Neronier weit und weiter über den Erdkreis herrschen. Die Parther und Inder werden sich seinem Scepter beugen, und die trotzigen Enkelsöhne des Giso. Ich seh' sie im Geiste, die künftigen Riesenheere, die sich nach Norden und Osten wälzen und Germanien erobern bis zum Strande der Vistula, und das Land der Sarmaten, und Rugia, und das eisige Scandia.
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