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Neonazis in Nadelstreifen

Neonazis in Nadelstreifen

Titel: Neonazis in Nadelstreifen
Autoren: Andreas Andrea und Speit Roepke
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versprechen. Damit folgen sie einem Slogan, den Udo Voigt schon vor rund zehn Jahren vorgegeben hat: »Bürgernähe zeigen, vor Ort siegen – auf kommunaler Ebene kann die Ausgrenzung unterlaufen werden.« Er wusste, dass diese Strategie der kommunalen Verankerung, mit der ganz neue Wählerschichten gewonnen werden sollen, viel Zeit brauchen würde.
    Die Partei vollzieht einen Imagewandel auch im äußeren Erscheinungsbild: weg von der glatzköpfigen Skinhead- und Hooligan-Partei hin zur seriös-biederen Interessenvertretung des kleinen Mannes. Dazu gehören Anzug, Schlips und Scheitel, selbstbewusstes Auftreten und rhetorische Schlagfertigkeit ebenso wie das offene Bekenntnis zur Radikalität, mit der man sich im Kampf gegen die »herrschenden Bonzen« als einzig wahre Opposition empfiehlt. Sozial, national, radikal – das ist der Dreiklang, mit dem die NPD populistisch auf Stimmenfang geht. Die kommunale Verankerung soll zudem dafür sorgen, dass nicht nur Protestwähler kurzfristig an die Wahlurne gelockt werden, sondern das Protestpotential nachhaltig an die Partei gebunden wird.
    Mit dieser zweigleisigen Politik von »Verbürgerlichung« und Radikalisierung durch die Öffnung für gewalttätige Kameradschaftsführer wandelt die NPD auf einem schmalen Grat. Manchmal rutscht sie auch ab. In den vergangenen Monaten brachen immer wieder Diskussionen in der NPD über die Zusammenarbeit mit den Kameradschaften der »Autonomen Nationalisten« auf. Gerade erst gewonnene neue Mitglieder aus der Szene verließen in Sachsen die Partei wieder, sie war ihnen zu »verbonzt« und zu »parlamentaristisch«. In der NPD ist nicht bloß Parteiideologe Jürgen Gansel der Meinung, dass der militante Gestus der »Autonomen Nationalisten« das neue Image der Partei karikieren und damit gefährden könnte.
    Bisher ist es der Parteiführung unter Udo Voigt jedoch gelungen, die sich daraus ergebenden Spannungen auszubalancieren. Die Wahlerfolge in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern halfen Voigt, den Kurs beizubehalten. Obwohl die NPD mit ihrem versuchten »Sprung in den Westen« 2008 bei den Landtagswahlen in Niedersachsen mit 1 , 5 Prozent und in Bayern mit 1 , 2 Prozent der abgegebenen Stimmen scheiterte, so hat sie dort doch Stimmen hinzugewinnen können. Die Dynamik der Entwicklung erhöht allerdings auch den Erwartungsdruck. Anfang 2009 muss die Bundesführung deshalb einen Sonderparteitag veranstalten. Der Ruf nach Aussprache und möglichen Änderungen wegen der Veruntreuungen des Ex-Bundesschatzmeisters und des Verhaltens der Bundesführung ist zu laut geworden. »Klären wir nach innen sachlich unseren Besprechungsbedarf und zeigen wir nach außen jene Geschlossenheit, die als Garant für kommende Wahlerfolge unabdingbar ist«, hieß es Ende November 2008 in einem Parteischreiben. Die NPD ist intelligenter geworden, Chancen werden realistisch eingeschätzt. Die Einberufung des Sonderparteitags zeigt, dass man auf die Entwicklungen reagiert.
    Nahezu einmütig geht die Bundesführung mit »personellen Schwierigkeiten« um. Bundesvorstandsmitglieder wie der mehrfach verurteilte Thorsten Heise werden nicht öffentlich abgemahnt, wenn bei einer Razzia in seinem Haus Waffen und belastende Tonträger gefunden werden. Und nationalistisch gesinnte Straftäter können für die NPD bei der Landtagswahl in Niedersachsen und der Kommunalwahl in Brandenburg kandidieren. »Resozialisierung« nennt die Partei das – Reue zu zeigen für die oftmals brutalen Taten ist dafür nicht notwendig.
    Der Einfluss radikaler »Freier Nationalisten« innerhalb der NPD ist gewachsen. Die Hälfte der Führungsmannschaft im Schweriner Landtag besteht aus Kameradschaftsaktivisten. Aber auch finanzstarke und unkontrollierbare Gesinnungstäter wie Jürgen Rieger können in der Partei offen einem Hitlerismus frönen. Sie alle werden toleriert.
    Die NPD hat Antworten gefunden, nicht nur im Umgang mit »internen Problemen«. Bei der Umsetzung der angestrebten kommunalen Verankerung werden angehende Nachwuchspolitiker umfangreich geschult und mit Argumentationshilfen ausgestattet. Mit der allmählichen Professionalisierung in der Partei geht eine vielfach unterschätzte Intellektualisierung einher. In feinen Anzügen, geschult in Rhetorik und Wortergreifung, besetzen sie immer mehr gesellschaftlichen Raum. Gerade in den alten Bundesländern sind NPD -Funktionäre keine Rand-existenzen mehr, unter ihnen befinden sich Gymnasiasten, Lehrer, Anwälte, Handwerker und
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