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Neonazis in Nadelstreifen

Neonazis in Nadelstreifen

Titel: Neonazis in Nadelstreifen
Autoren: Andreas Andrea und Speit Roepke
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Heavy-Metal-Outfit eines jugendlichen Anhängers stören den NPD -Bundesgeschäftsführer Peter Marx nicht, lässig nickt er ihm zu. Offen wendet sich Gitta Schüßler, NPD -Bundesvorstandsmitglied und einzige weibliche Landtagsabgeordnete in Sachsen, einer Gruppe von jungen Frauen zu. Auch ihr ist egal, ob sie schwarz gefärbte Haare und Tätowierungen haben oder blonde Zöpfe und ein dirndlähnliches Kleid tragen. Als Vorsitzende der NPD -Frauenorganisation Ring Nationaler Frauen möchte sie »nationale Frauen stärker in die politische Arbeit einbeziehen«, das bedeutet viel Arbeit an der Basis. Bei Kaffee und Kuchen, Bier und Würstchen tauscht man sich während des laufenden Parteitags aus. »Ist der nicht in Haft?«, fragen sich zwei NPD -Freunde, als Horst Mahler hinter ihnen Platz nimmt. Der notorische Holocaustleugner ist Ehrengast des Parteitags. »Herr Voigt hat mich eingeladen«, erklärt der ehemalige Mitbegründer der »Roten Armee Fraktion«, der sich später der NPD annäherte. Er erläutert, die Rechtsstreite zu seinen Äußerungen seien noch nicht ganz abgeschlossen. Der heutige NPD -Pressesprecher in Mecklenburg-Vorpommern, Andreas Molau, begrüßt Mahler mit Handschlag. Der Parteitag spiegelt es wieder: Die NPD ist schon lange nicht mehr die »Altherrenpartei« von einst, sie ist heute eine Wahl- und Gesinnungspartei, die verschiedene »national Gesinnte« eint, unterschiedliche rechte Szenen verbindet.
    Im Foyer redet Michael Schäfer, Bundesvorsitzender der NPD -Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten ( JN ), sowohl mit Mitgliedern der Partei, die sich fein ausstaffiert haben, als auch mit Gästen aus der Kameradschaftsszene, die mit ihrem schwarzen Outdoorlook einen militanten Gestus ausstrahlen möchten und sich damit bewusst von der ihnen als zu brav geltenden NPD absetzen wollen. Schäfer, Student der Politikwissenschaft, kommt selbst aus der Kameradschaftsszene in Wernigerode. In der sachsen-anhaltischen Stadt existiert eine äußerst militante Szene, die immer wieder nichtrechte Jugendliche angegriffen hat. Längst haben sich die »Freien Kräfte« um Schäfer den Jungen Nationaldemokraten angeschlossen. Nicht nur in Sachsen-Anhalt traten Kameradschaftler der Parteijugendorganisation bei. Militanz und Intellekt sind für sie kein Widerspruch. Neonazis sind flexibel, sie passen sich an – wenn es der »nationalen Sache« dient. Auf dem Parteitag ist Michael Schäfer als Bundesverantwortlicher dem Anlass entsprechend im dunklen Anzug erschienen, auf der Straße trägt er lieber schwarze Basecap und Kapuzenpullover und macht auf Straßenkämpfer.
    Auf den Tischen im Foyer ist die JN mit viel Werbematerial präsent. »Nationalen Sozialismus durchsetzen!« und »Nationalismus ist auch Mädelsache! Traut Euch was – hinein in die JN « ist auf Aufklebern zu lesen. Die Jungen Nationaldemokraten haben unter Schäfer wieder an Einfluss gewonnen. Pressevertreter, die von der NPD zum Parteitag zugelassen wurden, werden von einigen Kameraden böse angeschaut, einer zischt leise: »Pass bloß auf!« Ein anderer raunt »Knoblauchpresse« und schimpft laut: »Ach, das Presseschwein ist auch da.« Im Sortiment der zum Kauf angebotenen Literatur und CD s findet sich nichts Verbotenes. Der Presse möchte man keine Vorlagen liefern. Denn dass die NPD einzelnen Journalisten den Zutritt verwehrte, brachte schon vor Beginn des Parteitages bundesweit Negativschlagzeilen.
    Die Konzert- und Kongresshalle hatte die Bamberger Stadtverwaltung der NPD erst nach einer Entscheidung der bayerischen Verwaltungsgerichte zur Verfügung gestellt. Vor der Tür, angeschirmt von Polizeikräften und Metallgittern, können die Freunde der Partei hören, wie unerwünscht sie in der oberfränkischen Stadt sind. Knapp 2000 Menschen nehmen an Protestaktionen teil. Keine 500 Meter entfernt findet auf der Weide eine Gegenkundgebung statt, ein Slogan lautet: »Weide-Ordnung: Buntes Fleckvieh statt braune Hornochsen«. Teilnehmer einer Antifa-Demonstration kommen hinzu. Schauen die Rechten aus dem Hegelsaal heraus, links über die am Gebäude vorbeifließende Regnitz, dann können sie »No NPD « auf einem übergroßen Transparent lesen.
    Den Tagungsort hat die Parteiführung jedoch ganz bewusst gewählt. Mit dem Bundesparteitag in der Weltkulturerbe-Stadt wollen sie in den zu dieser Zeit laufenden Landtagswahlkampf in Bayern eingreifen. Ganz wie bei anderen Parteien werden Parteiveranstaltungen bevorzugt in den Bundesländern
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