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Neonazis in Nadelstreifen

Neonazis in Nadelstreifen

Titel: Neonazis in Nadelstreifen
Autoren: Andreas Andrea und Speit Roepke
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auch vorgeworfen, nicht genug Finanzmittel in die Bewegung zurückfließen zu lassen, sondern sich zu bereichern.
    Dabei ist Schlaffer kein unbeschriebenes Blatt. Vor Schlaffers »Werwolfshop« in Wismar spielte sich im August 2006 eine erschreckende Szene ab, als bullige Glatzköpfe mit Baseballschlägern aus dem Laden stürzten, um auf Gegendemonstranten loszugehen, und nur von zwei Polizisten mit gezogener Waffe in Schach gehalten werden konnten. Überhaupt hat sich die beschauliche Hansestadt zu einer neonazistischen Hochburg im Norden entwickelt. Aus dem »nationalen Wohnprojekt« »Wolfshöhle II « in der Fischerstraße etwa wurden im April 2007 mit einer Zwille Stahlkugeln auf Gegendemonstranten geschossen, auf Kameras von Journalisten wurde ebenfalls gezielt. Ein junger Mann erlitt dabei eine Kopfverletzung.
    Die Gewalt untereinander ist in der Szene fast alltäglich, nur die Öffentlichkeit erfährt wenig davon. In den strengen hierarchischen Strukturen werden oft schon vermeintlich kleine Verfehlungen – auch mittels Gewalt – geahndet. So sind vor dem Amtsgericht Wismar seit Juli 2007 fünf Männer angeklagt, gemeinsam einen Bekannten getötet zu haben. Einer der Angeklagten war bereits an der Baseballschläger-Aktion vor Schlaffers »Werwolfshop« beteiligt gewesen; er ist als Neonazi bekannt, auch die anderen Betroffenen werden dem braunen Milieu zugerechnet. Dennoch will die Staatsanwaltschaft nicht von einer Tat in der rechten Szene sprechen. Die Männer im Alter zwischen 17 und 37 Jahren sollen Andreas F. in der Neujahrsnacht 2007 stundenlang gequält haben, bis Henning W. dann mit einem Küchenmesser mehrfach auf den bereits Verletzten eingestochen habe.
    Ein befreundeter Getränkehändler erhielt an diesem Januarnachmittag den Anruf, er solle »Schnaps, Cola und Zigaretten« in die Wohnung von Henning W. in der Liselotte-Hermann-Straße liefern. Das spätere Opfer, das ein Freund noch gewarnt hatte, fuhr mit. Es brach ein Streit aus, der in ein Handgemenge überging. Die Ursache der Auseinandersetzung konnte bisher auch vor Gericht nicht geklärt werden. Das Opfer lag bereits stark blutend am Boden, als der Getränkelieferant die Wohnung verließ. Als er am Abend noch mal zurückkehrte, sah er »viel Blut« an Wänden und am Boden. Die Polizei fand am 2 . Januar allerdings eine völlig gesäuberte Wohnung vor. Henning W. hatte in Begleitung seines Anwalts bei der Polizei gemeldet, dass eine Leiche in seiner Wohnung liege. Mehr sagte er nicht. Der Tote wies schon Leichenstarre auf. In der Wohnung fielen den Beamten rechtsextremistische Devotionalien auf. Anwohner sprachen von einer »Nazi-Wohnung«, die immer wieder als Anlaufpunkt gedient habe. Die Zimmer waren aufgeräumt und der Boden noch feucht vom Wischen. Nur in einem Eimer und in der Badewanne stießen sie auf »rotes Wasser«. Sauber war um die Leiche gewischt worden. Von einer politisch motivierten Tat wollte niemand reden, die Motive des Streits seien unbekannt.
    Das kann man auch anders deuten. Der Sozialwissenschaftler Michael Kohlstruck hat sich mit den Ursachen rechtsextremistischer Gewalt auseinandergesetzt. In einer Studie weist er auf den in der Szene üblichen Doppelcharakter von Gewalt hin. Die Gewalt, so Kohlstruck, ist einerseits eine Form aggressiver Selbstdarstellung und andererseits Ausdruck einer politischen Haltung. Gewalt wird in diesem Milieu zum politischen Mittel, ideologisch legitimiert und praktisch verübt. Das Täterspektrum reicht, so betont Kohlstruck, »vom einfachen Schläger bis zum geschulten Ideologen«.
    Der Bürgermeister von Bützow in Mecklenburg-Vorpommern hat sich bei den Opfern des ausländerfeindlichen Angriffs entschuldigt. Doch die braune Alltagsgewalt reißt auch in seiner kleinen Stadt nicht ab. Mitte Januar 2008 überfiel eine Gruppe »rechtsgerichteter Jugendlicher« eine Geburtstagsparty von Punkern. Sie schlugen mit Flaschen auf die Gäste ein. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft in Rostock wird gegen einige der Angreifer ohnehin schon ermittelt: Sie gehörten zum braunen Mob der Stadtfest-Randale.
    Anhang
    Literaturverzeichnis
    Verwendete Literatur
    Agentur für soziale Perspektive e.V. (Hg.): Versteckspiele. Lifestyle, Symbole und Codes von neofaschistischen und extrem rechten Gruppen. Hamburg / / Münster: rat, 2005 .
    Apfel, Holger (Hg.): »Alles Große steht im Sturm« – Tradition und Zukunft einer nationalen Partei. Stuttgart: DS -Verlag, 1999 .
    Assmann, Aleida / Frevert, Ute:
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