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Nemesis 04 - In dunkelster Nacht

Nemesis 04 - In dunkelster Nacht

Titel: Nemesis 04 - In dunkelster Nacht
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Mountains aufgebrochen war. Als ich vierzehn Tage später in meine bescheidene Junggesellenwohnung zurückgekehrt war, hatte ich würgend festgestellt, dass das altersschwache Kühlgerät unmittelbar nach meiner Abreise das Zeitliche gesegnet haben musste. Jedenfalls hatte das Fleisch eine ähnliche Farbe wie Eds Gesicht gehabt, und meine ganze Wohnung hatte gestunken, wie ein Massengrab auf subtropischem Gebiet. Irgendwie vermisste ich beinahe den Anblick der kleinen weißen Maden in Eds Visage, die sich mir beim Fund meines Steaks in mein Gedächtnis eingebrannt hatten.
    Verdammt, ich war wirklich widerlich! Ich zwang mich, das Thema, um das es eigentlich ging, gedanklich wieder aufzugreifen. Ein Kind sollte Ed getötet haben?
    Ich dachte an die Bilder von bis an die Zähne mit Kalaschnikows und Pumpguns bewaffneten islamischen Märtyrerkindern, die in unregelmäßigen Abständen immer wieder durch die Medien gingen. Patronengürtel und Tarnkleidung in Konfektionsgröße 98/110. Aber mit einer Kalaschnikow tötete man aus anonymisierender Distanz, mit einer Pumpgun ebenso und außerdem mit einem einzigen, alles schnell beendenden Schuss – eine blutige Angelegenheit, keine Frage, grausam und kaum zu glauben, dass es möglich war, ein Kind so vollständig zu manipulieren, dass es fähig, vielleicht sogar von Grund auf so kaputt war, dass keine Therapie und kein Medikament dafür garantieren konnten, dass es nicht eines Tages wieder zu einer Gefahr für sich selbst und seine Umwelt werden könnte. Aber das, was Ed angetan worden war, war ungleich grausamer, als ein einziger Schuss aus der Ferne, schlimmer sogar als ein Kugelhagel, den man auf jemanden abfeuerte. Sein Mord war offenbar sorgsam geplant und aus nächster Nähe ausgeführt worden, in Anwesenheit eines Zeugen sogar, von dem der Attentäter nicht mit hundertprozentiger Sicherheit hatte voraussehen können, wie stark die plötzliche Lichtveränderung seine Sehfähigkeit beeinträchtigte. War es möglich, ein Kind dazu zu bringen, so etwas zu tun?
    Wenn ja, womit musste man ihm drohen? Mit Folter vielleicht, oder gar mit dem eigenen Tod?
    Ich weigerte mich, Carl zu glauben. Er kauerte noch immer zitternd auf dem Küchenboden, verweint und verängstigt wie ein hilfloses Mädchen, schlimmer noch: Der dunkle, nasse Fleck, den ich in diesen Sekunden erst bemerkte und der von seinem Schritt bin zu den Knien hinabreichte verriet mir, dass er sich vor Angst buchstäblich in die Hosen gemacht hatte. Der Anblick seiner jämmerlichen, blutverschmierten Gestalt widerte mich kaum weniger an, als der Eduards.
    »War es die Stimme eines Jungen oder eines Mädchens?«, fragte Judith, die jetzt ein wenig gefasster wirkte, aber immer noch in meinem Arm zitterte, wenn auch nicht so stark wie der dickliche Wirt. Sie vermied es noch immer, in Eds Richtung zu blicken.
    Carl schüttelte hilflos den Kopf. Tränen der Angst und der Verzweiflung rannen ihm über die Wangen und gruben helle Furchen in das gerinnende Blut. »Ich weiß es nicht. Bitte ... bitte lasst mich nicht mehr allein. Es kommt sicher wieder ... Die Stimme – sie war ganz hell und ... böse. Ich habe noch nie in meinem Leben etwas gehört, das so boshaft klang, und weiß Gott, ich habe schon viel erlebt.« Einen Moment lang blickte er durch Judith hindurch ins Leere und dachte möglicherweise an Unglücke und Schicksalsschläge zurück, die ihn irgendwann einmal getroffen hatten. Schließlich hob er die Schultern: »Wenn es ein Junge war, dann war er noch nicht im Stimmbruch«, sagte er.
    »Könnte es einer von uns gewesen sein?« Ich registrierte aus den Augenwinkeln, wie Ellen den Wirt überrascht ansah und wunderte mich ein bisschen, dass es offenbar erst einer so eindeutigen Anspielung meinerseits bedurft hatte, sie mit der Nase auf die Möglichkeit zu stoßen, dass Carl selbst Eds Mörder gewesen sein konnte. Als sie die Küche betreten und die ersten Sätze mit ihm gewechselt hatte, hätte ich Stein und Bein schwören können, dass sie die Situation für ebenso eindeutig hielt, wie sie mir selbst nach einigen Augenblicken vorgekommen war. Mein Verdacht war ein wenig gemildert worden durch den hochgradig bemitleidenswerten Zustand des Althippies (ich zwang mich jetzt regelrecht, Mitgefühl für ihn und vor allen Dingen für Ed zu empfinden, um nicht in die Verlegenheit zu geraten, mein eigenes Spiegelbild auf absehbare Zeit nicht mehr ertragen zu können, wenn ich noch ein paar weitere dieser abartigen
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