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Nemesis 03 - Alptraumzeit

Nemesis 03 - Alptraumzeit

Titel: Nemesis 03 - Alptraumzeit
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geschickt.
    Maria legte die restlichen Stufen ins Erdgeschoss und durch den Flur zu mir in ihrer eigenartigen tippelnden Gangart zurück, wobei sie ihre Schritte beschleunigte, je weiter sie sich mir näherte. »Ich hatte dich für jemand anderen gehalten«, erklärte sie in entschuldigendem, langsam an Sicherheit gewinnendem Tonfall und deutete mit der freien Hand auf den Bücherstapel, den sie mit sich trug. »Ich habe etwas herausgefunden«, sagte sie und merkte dabei nicht, wie ich die Hände in den Taschen meiner Jeans verschwinden ließ und sie zu Fäusten ballte, die ich nur mühsam im Zaum halten konnte. Ich wandte mich um und ging weiter Richtung Küche, damit sie nicht sah, wie ich die Augen schloss und ein paarmal bewusst langsam und tief ein- und ausatmete, um meine plötzliche Aggression nicht wie an einem Sandsack an ihr abzureagieren. »Ich glaube, ich bin der Lösung des Rätsels auf der Spur.«
    Ich sagte nichts. Als wir die Küche erreichten, ließ ich ihr den Vortritt, um meine Hände in sicherem Gewahrsam ruhen lassen zu können, während sie die Tür öffnete.
    Mir war wirklich nicht nach Rätselraten, Schatzsuchen oder sonstigem albernen Zeitvertreib. Wir waren drauf und dran, uns wie eine Gruppe Schulkids zu verhalten, die sich die Zeit in der Jugendherberge mit der Suche nach dem sagenumwobenen Herbergsgeist versüßt. Ich hatte genug Probleme mit mir selbst und keine Lust, mich noch tiefer in einen Irrgarten der Eventualitäten ziehen zu lassen. (Was geschah hier nur mit mir? Was passierte mit meinem Charakter?!)
    »Es hängt alles irgendwie an Ed.« Maria war mit der Hand auf der Klinke stehen geblieben, blickte mich mit Verschwörermiene an und wartete eine peinliche Sekunde lang vergeblich darauf, dass ich mich in irgendeiner Form interessiert zeigte. Schließlich versuchte sie ihre Enttäuschung über meine mangelnde Neugier mit noch mehr Geheimniskrämerei und einer Körperhaltung zu überspielen, die mir wohl vorgaukeln sollte, dass sie ohnehin nicht geplant hatte, mich in ihre vertraulichen Informationen einzuweihen. »Komm. Ich bin sicher, damit kommt alles ans Licht.« Sie drückte die Klinke herunter und schob mich vor sich her in die Küche.
    Ich folgte ihr unwillig. Ich wollte allein sein, denn ich war inzwischen nicht einmal mehr auf Gesellschaft angewiesen, um einen heftigen Streit vom Zaun zu brechen.
    Dazu reichte ein Selbstgespräch. Ich hätte stundenlang mit mir über mich diskutieren können – über das, was ich war, ehe ich hierher gekommen war, über das, was ich in diesem Augenblick war, und über das, was ich möglicherweise sein würde, wenn ich diese Burg wieder verließ. Jedenfalls musste ich mich schwer in Acht nehmen und meine plötzlichen Launen und meinen Realitätsverlust schnell unter Kontrolle bekommen, sie am besten vollständig in den hintersten Winkel meines Hirns zurücktreiben, aus dem beides sich herausgeschlichen hatte. Aber ich hatte mich, wie mir erst jetzt bewusst wurde, einmal mehr für längere Zeit von den anderen abgesondert. Damit hatte ich mir sicher schon wieder ein paar weitere Scheffel Misstrauen verdient und ich konnte den Wortlaut, in dem Ed sich breit grinsend erkundigte, was ich denn so lange mit einem Toten in einer Halle oder gar mit der grauen Maus im Obergeschoss getrieben hätte, ziemlich genau vorstellen. Ich wollte es nicht auf die Spitze treiben, mich nicht zu sehr von der Gruppe absondern und mich damit nicht nur noch verdächtiger, sondern wahrscheinlich auch ziemlich einsam machen.
    Aber niemand sagte etwas, als wir eintraten und Maria die Tür hinter uns schloss. Ein bedrücktes, betretenes Schweigen, das nicht einmal Ed sich mit seiner großen Klappe anzutasten wagte, erfüllte den Raum.
    Maria beeindruckte es hingegen kein bisschen. Zielsicher marschierte sie auf den Küchentisch zu und knallte die Bücher, die sie wohl im Obergeschoss gefunden hatte, mit Elan auf die Tischplatte, von der ich dankend zur Kenntnis nahm, dass einer der anderen sie gründlich vom Blut des toten Sportlers befreit hatte. Dann griff sie nach dem Fotostapel und zog eines der Bilder heraus: Klaus Sänger in seinem blütenweißen Laborkittel.
    Ellen versteckte ihre Schwächen hinter einer Mauer von Arroganz, stellte ich fest. Maria hingegen trug ihre Verletzlichkeit ständig offen vor sich her und war nur dann in der Lage, sie kurzfristig abzulegen, wenn sie nach Kreide und Tafel greifen konnte, um einen Haufen dummer Schüler mit ihrem
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