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Nemesis 03 - Alptraumzeit

Nemesis 03 - Alptraumzeit

Titel: Nemesis 03 - Alptraumzeit
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wer sitzt mitten unter uns und schaut sich alles an?« Sie deutete mit dem Zeigefinger auf Ed. »Der Enkel von einem der Naziforscher. Das kann doch kein Zufall sein! Dann gibt es einen Mord.
    Und was steckt in Stefans Rücken? Ein Nazidolch«, schloss sie.
    »Und diesem Enkel fällt das Gittertor auf den Kopf und er hat verdammtes Schwein gehabt, dass er das überlebt hat«, lachte Judith, ohne wirklich amüsiert zu klingen.
    »Das passt doch hinten und vorne nicht zusammen, was du dir da zurechtspinnst!«
    Maria reckte trotzig das Kinn. »Ed hat doch vorhin noch erklärt, dass er sich stark genug fühlt, um aufzustehen«, gab sie zurück. »Vielleicht hat er auch seinen Kumpel, den Nazigoldgräber Carl, losgeschickt, um Stefan zu ermorden, wer weiß das schon so genau. Das hier stinkt doch alles zum Himmel!«
    Sie hatte es darauf abgesehen, uns gegen Ed aufzuhetzen, zumindest aber unser Misstrauen ihm gegenüber zu schüren, daran hatte ich längst keinen Zweifel mehr.
    Im Ansatz war ihre Strategie auch gar nicht so übel gewesen – wenigstens Carl hatte zu ihrer Zufriedenheit reagiert und Judith, Ellen und ich hatten ihr zumindest zugehört, als sie ihren Vortrag über Eds Großvater heruntergerasselt hatte. Aber mit ihren letzten Sätzen hatte sie das Maß schlichtweg überfüllt. Damit hatte sie nun nicht nur Carl gegen sich aufgebracht, sondern auch alle anderen, denn ihre zu weit hergeholten Spekulationen und ihre unverhältnismäßige Emotionalität hatten den eigentlichen Zweck ihres Auftrittes offenbart.
    Ellen ließ sich stöhnend auf einen der Plastikstühle plumpsen, verdrehte genervt die Augen, griff nach ihrer Zigarettenschachtel und zog eine Grimasse, als sie feststellte, dass sie ihren letzten Tabakvorrat restlos aufgebraucht hatte. »Nur zur Info, Kleine«, seufzte sie, zerknüllte die leere Schachtel und schleuderte sie gereizt Richtung Papierkorb, traf ihn aber nicht. »Der Krieg ist seit mehr als fünfzig Jahren vorbei und abgesehen von ein paar spinnerten Glatzköpfen gibt es keine Nazis mehr.«
    »Schon mal was von der ODESSA gehört?« Maria bemühte sich wieder um ihren althergebrachten, belehrenden Tonfall, mit dem sie so zielsicher erreichte, dass sich ihr Gegenüber wie ein Sonderschüler auf einer Abifeier fühlte. »Der Organisation der ehemaligen SS-Angehörigen? Habt ihr eine Ahnung, wie viele überzeugte Nazis nach dem Krieg Richter, Politiker, erfolgreiche Wissenschaftler und Wirtschaftsbosse geworden sind?
    Dieses Dreckspack hält zusammen wie Pech und Schwefel.«
    »Uuuuh!«, stieß Judith hervor, wobei sie sich schützend die Hände vors Gesicht hielt und eine geduckte Haltung einnahm, als spiele sie in einem billigen Horrorstreifen und fürchte sich gerade vor dem Pappmache-Ungeheuer auf einem Rollbrett, das ein keuchender Filmpraktikant langsam näher schob. Unter anderen Umständen und mit besserer Laune hätte ich wahrscheinlich über ihren Anblick gelacht. »Unsere Republik wird von einem gemeingefährlichen Rentnerclub mit Durchschnittsalter über achtzig bedroht«, spottete sie. »Und die haben uns hier auf die Burg gelockt, weil sie ein paar Pornofilme von uns drehen wollen, und jetzt legen sie uns um, damit wir es nicht weitererzählen. Ich bin wirklich beeindruckt von deinem Scharfsinn.«
    »Was hat denn Eds Opa für Verbrechen begangen?«, fragte Ellen, ohne dabei wirklich interessiert zu klingen.
    Wahrscheinlich sagte sie überhaupt nur irgendetwas, um sich von der leeren Zigarettenschachtel auf dem Fußboden abzulenken, die sie mit zwischen Bedauern und Frustration schwankendem Ausdruck auf dem Gesicht betrachtete.
    Ich konnte nachvollziehen, wie sie sich fühlte. In all der Aufregung hatte ich zwischenzeitlich fast vergessen, dass ich Raucher war, aber der Anblick der leeren Packung machte auch mich nervös und rief in mir das Bedürfnis nach Teer und Nikotin wieder wach. Falls auch Judith keine Zigaretten mehr hatte, sah ich schwarz für den Rest der Nacht.
    »Die SS wurde von den Alliierten als verbrecherische Vereinigung eingestuft und ihre Verbrechen stehen ja wohl außer Frage«, antwortete Maria naserümpfend.
    »Mein Opa war kein Verbrecher«, meldete sich Ed endlich leise zu Wort. Es kostete ihn deutliche Überwindung, überhaupt etwas zu sagen. Seine Stimme klang erstickt und der glasige Blick, mit dem er noch immer an Maria vorbei ins Leere starrte, verriet, dass er die Tränen nur mühsam zurückhielt. »Er hat sich um mich gekümmert. Meine Eltern sind
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