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Nemesis 03 - Alptraumzeit

Nemesis 03 - Alptraumzeit

Titel: Nemesis 03 - Alptraumzeit
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intensiver …
    Das Hochgefühl dauerte kaum länger als ein paar Atemzüge, die mir wie Minuten vorkamen, in denen ich nur dastand und mich auf das wohlige Kribbeln konzentrierte, das alle meine Organe wie eine innere Massage verwöhnte und mich mit dem Verlauf von Nervensträngen vertraut machte, von denen ich nicht einmal geahnt hatte, das es sie gab. Ich wäre enttäuscht gewesen, als es plötzlich wieder vorbei war, wenn ich denn in der Lage gewesen wäre, noch irgendetwas Negatives zu empfinden. Aber das war ich nicht. Ich hätte ganze Stunden damit verbringen können, einfach nur den Reaktionen meines Körpers zu folgen und sie zu genießen, aber als das Beben verschwand, fühlte ich mich von einer inneren Wärme erfüllt, spürte ein emotionales Gleichgewicht, das etwas Unbehagliches wie zum Beispiel Unzufriedenheit oder Bedauern einfach nicht zuließ.
    Ich fühlte mich gestärkt und gegen alle denkbaren physischen wie psychischen Attentate, die diese Nacht noch für mich bereithalten mochte, bestens gewappnet, erfüllt mit Ruhe ohne Trägheit und Gelassenheit ohne Resignation. Mit einem erleichterten Seufzen und zufriedenen Lächeln steuerte ich auf die Küche zu, als ich plötzlich ein leises, rhythmisches Geräusch von der Treppe her vernahm, die in die Empfangshalle hinabführte: Schritte. Ich wandte mich um und für einen kurzen Augenblick sah ich Miriam, die sich unsicher am Geländer festhielt und mit kindlich-ängstlichem Blick durch die Dunkelheit zu mir hinuntertastete. Ich zweifelte nicht daran, dass ihr Erscheinen Realität war; das warme, bedingungslos zufriedene Gefühl in meinem Bauch ließ auch für Zweifel keinen Platz. Ich trat einen Schritt durch das, was ich für unserer beider Wirklichkeit hielt, gewillt, ihr die Hand zu reichen, ihr zu helfen, ihre Furcht (wovor fürchtete sie sich eigentlich? Wir waren allein.
    Selbstverständlich waren wir das) zu überwinden, sie vielleicht sogar in den Arm zu nehmen und zu trösten.
    Aber sie verschwand, kaum dass ich anderthalb Schritte hinter mich gebracht hatte. Mit ihr verschwand alles, was die mysteriöse Vibration der Wände und der Decke in mir ausgelöst hatte, und dafür kehrten alle Eindrücke, Bedürfnisse, Ängste und Gedanken, die ich kein wenig vermisst hatte, an ihren Platz zurück. Und als sei das nicht schon schlimm genug, als risse mich dieser brutale Entzug nicht schon in ausreichend kleine Stücke, tauchte auf der Treppe, wo zuletzt Miriam gestanden hatte, kaum dass das Bild des dunkelhaarigen Mädchens sich vor meinen Augen aufgelöst hatte, jemand anders auf: Maria.
    Sie verharrte mitten im Schritt, als sie mich sah, und blickte mir einen Moment lang erst erschrocken, dann unsicher entgegen, ehe sie weiterging. Unter dem Arm trug sie einen ganzen Stapel dicker, staubiger Bücher.
    »Hallo, Frank«, sagte sie, als sie sich schließlich den deutlich sichtbaren Ruck gegeben hatte, den es eine unsichere Persönlichkeit wie sie anscheinend kostete, etwas so Einfaches, Selbstverständliches wie einen Gruß auszusprechen. »Ich bin froh, dass ich dich hier treffe.«
    Der Klang ihrer Worte strafte sie Lügen, aber ich sagte nichts und nahm es ihr auch nicht übel. Es war nur eine höfliche Floskel, aber damit übertraf mich die kleine graue Maus in diesen Sekunden trotzdem in der Disziplin Selbstüberwindung bei weitem. Ich für meinen Teil war auf einmal weder willens noch fähig, einen weiteren Schritt in ihre Richtung zu machen und ein Wort der Höflichkeit, die man mir irgendwann einmal anerzogen hatte, über die Lippen zu zwingen. Es war unfair und vollkommen absurd, aber auf einmal empfand ich einen maßlosen Hass auf sie, wie ich ihn noch nie für irgendjemand verspürt hatte. Gleichzeitig meldeten sich in diesem Moment meine Kopfschmerzen mit einem leichten Stechen in meinen Schläfen zurück – zwar noch lange nicht schmerzhaft, aber zweifelsfrei voller brennendem Tatendrang –, und so machte ich Maria ungerechtfertigterweise sowohl für meine Aussicht auf eine neuerliche Migräneattacke als auch für den plötzlichen Rückzug dieses seltsamen, nahezu utopisch schönen Gefühls und vor allen Dingen für Miriams Verschwinden verantwortlich.
    Kurz: Sie war schuld, dass die Realität mich eingeholt hatte. Sie war sogar schuld, dass es sie gab. So gesehen war es nur höflich, dass ich ihren Gruß nicht erwiderte.
    Ich hätte ihn wohl zwanghaft zusammen mit einer ganzen Salve von wütenden Beleidigungen auf die Reise
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