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Necromancer - The Death of the Necromancer

Titel: Necromancer - The Death of the Necromancer
Autoren: Martha Wells
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Zimmer nicht im Geringsten veränderte.
    Nach und nach wurde das Bild an der hinteren Wand im flackernden Kerzenlicht sichtbar. Die ungefähr einen Meter achtzig hohe und einen Meter zwanzig breite Leinwand war in einen goldenen Rahmen gefasst. Es war die Kopie eines Werks von Emile Avenne mit dem Titel Der Schreiber , das angeblich das Haremsleben in einem östlichen Land darstellte. Es zeigte zwei auf einem Sofa sitzende Frauen im Schlafrock und einen betagten Gelehrten, der die Seiten eines Buches für sie umblätterte. Nicholas wusste, dass dieses Motiv der Fantasie des Künstlers entsprungen war. Schon längst hatten die Sachverständigen herausgefunden, dass der Stil und die Farben der Boden- und Wandfliesen, die Einzelheiten der geflochtenen Wandschirme und der Stoffe auf dem Sofa weder in Parsien, Bukar noch im fernen Akandu bekannt waren. Dennoch war es ein tiefsinniges Meisterwerk voll wunderbarer Farben.
    Das Original hing in der Bibliothek von Pompiene, im
Herrenhaus von Count Rive Montesq. Count Montesq hatte das Bild von Nicholas erworben und dabei so getan, als wäre er überzeugt, dem Pflegesohn eines Mannes einen Gefallen zu erweisen, dessen Arbeit er früher gefördert hatte. Nicholas trat in der Öffentlichkeit als Kunstimporteur auf und benutzte das Erbe seines Ziehvaters Edouard, um einige junge Künstler von herausragendem Talent zu unterstützen. Er war sogar ein größerer Kunstmäzen, als die meisten Leute wussten, denn einmal hatte er in aller Stille einige aus der öffentlichen Galerie im alten Bischofspalais entwendete Gemälde wiederbeschafft und die Diebe streng bestraft. Diebstahl von Kunstwerken kam für ihn nicht in Frage.
    Nicholas ließ sich in den gepolsterten Samtsessel fallen, der so platziert war, dass er den besten Blick auf das Werk ermöglichte, und legte die Füße auf den Hocker. In der schon lange toten Sprache Altrienisch sagte er: »Schönheit ist Wahrheit.«
    Die Farben des Bildes wurden heller, aber so langsam, dass man es für eine Sinnestäuschung halten konnte. Allmählich gewannen sie eine sanfte Leuchtkraft, bis jedem Betrachter klar sein musste, dass es keine oder zumindest keine natürliche Sinnestäuschung war. Dann plötzlich wurde das Gemälde durchsichtig, als hätte es sich in ein Fenster zum nächsten Zimmer verwandelt. Nur dass der Raum, den es zeigte, auf der anderen Seite der Stadt lag. Dennoch erschien er real, als müsste man nur die Hand ausstrecken, um ihn zu berühren.
    In dem Zimmer war es dunkel, nur durch einen Türspalt fiel Licht auf Bücherreihen, den Rand eines gerahmten Aquarells und Count Montesqs Marmorbüste von der Hand des Bildhauers Bargentere. Nicholas warf einen Blick auf
die Uhr auf seinem Kaminsims. Es war schon spät, und er hatte auch nicht damit gerechnet, dass sich dort noch jemand aufhielt. Wieder sprach er altrienisch. »Die Erinnerung ist ein Traum.«
    Die Szenerie verdunkelte sich, bis sich schließlich ein anderes Bild zeigte.
    Der Künstler, der das Werk gemalt hatte, hatte nur gewusst, dass er für Nicholas’ Haus einen Avenne kopierte. Er hatte die von ihm verwendeten Farben nur insofern als etwas Besonderes betrachtet, als sie den Mischungen Avennes entsprachen, ohne die es nicht möglich war, die herrlich weichen Töne des Originals zu reproduzieren. Das stimmte auch, aber diese Farben waren von Arisilde Damal persönlich gemischt worden, dem größten Magier Ile-Riens. Auch den Rahmen und die Leinwand hatte er mit einem starken Zauber belegt.
    Wieder erschien die Bibliothek, diesmal bei Tageslicht. Die Vorhänge waren zurückgezogen, und ein Zimmermädchen säuberte den Kamin. Das Bild zog vorbei und wurde abgelöst vom Anblick weiterer Diener, die verschiedene Besorgungen erledigten, sowie eines Mannes, in dem Nicholas Batherat erkannte, einen von Montesqs Anwälten, der anscheinend gekommen war, um einen für ihn hinterlassenen Brief abzuholen.
    Das Schöne an dem Gemälde als magische Vorrichtung war, dass es sich nicht als solche verriet. Wenn Montesq einen Zauberer bestellte, um sein Haus auf Anzeichen einer magischen Überwachung zu überprüfen, wie bereits zweimal geschehen, offenbarte sich das Gemälde in der Bibliothek nur als das, was es war: eine Komposition aus Leinwand, Farbe und Holz. Die gesamte Magie steckte in der Kopie.

    Montesq hatte den Erwerb des Originals für einen guten Witz gehalten, eine amüsante Geste gegenüber der Familie eines Mannes, dessen Tod er herbeigeführt hatte. Doch
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