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Nebra

Nebra

Titel: Nebra
Autoren: Thomas Thiemeyer
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wie der leibhaftige Teufel. Sein Körper, sein Gesicht, ja selbst seine Haare und sein Bart waren mit roter und schwarzer Farbe bemalt. Die darunterliegende Haut wirkte, als wäre sie mit einer Schicht Lehm bedeckt. Seine Erscheinung glich eher einem Tier als einem Menschen. An seiner Seite krochen zwei große grauschwarze Gestalten. Mit ihrem zotteligen Fell, ihren vorgereckten Schnauzen und den langen dreckverkrusteten Klauen erinnerten sie an Wölfe. Doch es waren keine Wölfe, dessen war er sich sicher.
    Ein Raunen ging durch die Höhle, während die Anwesenden respektvoll vor den Neuankömmlingen zurückwichen. In vielen Gesichtern stand Furcht. Der Junge hielt den Atem an. Er kannte diese Wesen. Es handelte sich um dieselben widerwärtigen Kreaturen, die er beim Betreten der Höhle für schmutzige Haufen gehalten hatte. Er konnte sich noch erinnern, wie schnell sie sich bewegt hatten, welch ungeheure Kraft sie befähigt hatte, aus dem Stand mehrere Meter weit zu springen. Und er erinnerte sich an ihren Geruch. Auch jetzt meinte er wieder diesen modrigen Gestank nach Walderde und Pilzen wahrzunehmen.
    Der Teufelsmensch durchschritt die Höhle und trat auf die Hexe zu. In einer Art ritueller Geste berührte er sie an den Brüsten und zwischen den Beinen. Dann ging er zum Feuer hinüber und zog einen Metallstab aus den Flammen. Er hob ihn hoch und warf einen Blick auf dessen glühende Spitze. Der Junge hatte kaum Zeit zum Nachdenken, da wurde er von der schmutzigen Hand des Mannes am Genick gepackt und nach vorn gebeugt. Ein widerwärtiges Zischen war zu hören, verbunden mit einem kurzen, heftigen Stechen in der Wirbelsäule. Der Gestank von verbranntem Fleisch stieg ihm in die Nase. Ebenso schnell, wie er gepackt wurde, ließ man ihn wieder frei. Der Junge rang nach Atem, als der Schmerz einsetzte. Er war vor Angst so gelähmt, dass er kaum mitbekam, wie der Teufel das Mädchen packte und ihr den Stab ins Genick drückte. Der Junge hörte ihren Schrei, bemerkte aber, dass sie ihre Hände hinter dem Rücken behielt. Ohne einen Funken Mitleid fuhr der Peiniger fort. Zweimal noch hob sich das Eisen, zweimal war das widerwärtige Zischen zu hören, dann waren die vier Eindringlinge gebrandmarkt. Der Mann kehrte zum Feuer zurück und legte das Eisen wieder in die Glut. Die Luft war zum Schneiden dick. Den allgegenwärtigen Schweißgeruch überlagerte der Gestank nach verbranntem Fleisch. Ihrem Fleisch. Der Junge spürte, wie ihm schlecht wurde. »Was wollt ihr bloß von uns?«, wimmerte er. »Warum könnt ihr uns nicht einfach laufen lassen. Wir haben doch nichts verbrochen.« Seine Stimme verebbte.
    »Zwecklos«, keuchte seine Freundin. »Ich glaube nicht, dass sie uns verstehen.«
    »Was redest du da?«, stammelte er. »Wieso denn nicht?« »Ich habe sie beobachtet. Sie unterhalten sich in einer völlig fremden Sprache«, zischte das Mädchen. »Aber still jetzt. Wer weiß, was ihnen sonst noch einfällt.«
    Panik stieg in dem Jungen auf. Der Schmerz, ihre Gefangennahme, diese seltsamen Menschen - es war einfach zu viel für ihn. Er wollte seine Angst unterdrücken, aber er konnte nicht. »Warum redet ihr nicht mit uns?«, stieß er hervor. »Was seid ihr für Typen? Was wollt ihr von uns?« Wie ein Verrückter begann er an seinen Fesseln zu zerren. »Lasst uns frei! Ich will hier weg. Bitte, wir haben doch nichts getan.«
    »Hör auf«, flüsterte das Mädchen. »Du machst alles nur noch schlimmer.« Zu spät. Der Teufelsmensch war auf ihn aufmerksam geworden. Mit einem finsteren Gesichtsausdruck kam er zu ihnen herüber. Ohne zu zögern, hob er seinen Arm, ließ seinen Knüppel durch die Luft sausen und schlug dem Jungen mitten ins Gesicht.
    Sterne zerplatzten. Rote Sprenkel spritzten über die Erde. Er spürte, dass irgendetwas unterhalb seines rechten Auges zerbrochen war. Blut füllte seinen Mund, während eine ekelhafte Taubheit sich über seine rechte Gesichtshälfte ausbreitete. So rasend waren die Schmerzen, dass der Junge nicht einmal die Kraft fand, laut aufzuschreien.
    Es dauerte eine ganze Weile, ehe er wieder atmen konnte. Tastend fuhr er sich mit der Zunge über die Innenseite seiner Lippen und zuckte zusammen. Eine Platzwunde hatte einen tiefen Riss hinterlassen. Auch schien sich einer seiner Zähne gelockert zu haben.
    »Du Schwein«, stammelte er. Es klang so verzerrt, dass er sein eigenes Wort nicht verstand. Sein Mund war geschwollen, seine Lippen blutig. »Du verdammtes feiges Schwein.« Er
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