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Nebenwirkungen

Nebenwirkungen

Titel: Nebenwirkungen
Autoren: Woody Allen
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ihr."
    "Klingt eindrucksvoll", sagte ich. Connie streichelte mein Gesicht.
    "Ich hoffe, du magst sie nicht lieber als mich", sagte sie in halbwegs ernstem Ton, der ihr die Möglichkeit gab, dieser Furcht taktvoll Ausdruck zu geben.
    "Ich würde mir keine Gedanken machen", versicherte ich ihr.
    "Nein? Drei heilige Eide?"
    "Macht ihr beiden euch gegenseitig Konkurrenz?"
    "Nein. Wir lieben uns. Aber sie hat ein Engelsgesicht und einen sinnlichen, rundlichen Körper. Sie geht nach Mom. Und sie hat einen wirklich irrsinnigen IQ und viel Sinn für Humor."
    "Du bist schön", sagte ich und küßte sie. Aber ich muß zugeben, den Rest des Tages gingen mir Traumvorstellungen der einundzwanzigjährigen Lindsay Chasen nicht mehr aus dem Sinn. Gott im Himmel, dachte ich, was ist nur, wenn sie wirklich dieses Wunderkind ist? Was, wenn sie tatsächlich so unwiderstehlich ist, wie Connie sie beschreibt? Könnte ich mich vielleicht nicht doch verlieben? So wankelmütig wie ich bin -könnten nicht der süße Körperduft und das klingende Lachen eines sagenhaften angelsächsischen, protestantischen Mittelschichtskindes aus Connecticut mit dem Namen Lindsay -Lindsay auch noch! - diesen hingerissenen, doch nicht verpfändeten Kopf von Connie weg und neuem Unheil zuwenden? Schließlich kannte ich Connie erst seit sechs Wochen, und obwohl ich eine wundervolle Zeit mit dieser Frau erlebt hatte, so hatte sie mich doch wirklich noch nicht vor Liebe um meinen Verstand gebracht. Dennoch, Lindsay würde ganz schön verteufelt toll sein müssen, um in dem schwindelerregenden Getose aus Gekichere und Lust, das diese vergangenen Wochen zu so einem Festgelage gemacht hatte, ein kleines Wellengekräusel zu erregen.
    An dem Abend schlief ich mit Connie, aber als ich einschlief, war es Lindsay, die durch meine Träume wanderte. Die süße kleine Lindsay, das bewundernswerte Phi-Beta-Kappa-Mädchen mit dem Gesicht eines Filmstars und dem Charme einer Prinzessin. Ich wälzte und drehte mich und wachte mitten in der Nacht mit einem seltsamen Gefühl der Erregung und Vorahnung auf.
    Am Morgen legten sich meine Träume, und nach dem Frühstück machten Connie und ich uns mit Wein und Blumen im Gepäck nach Connecticut auf. Wir fuhren durch das herbstliche Land, hörten Vivaldi auf FM und tauschten unsere Beobachtungen über die "Feuilleton-und-Freizeit"-Beilage des Tages aus. Dann, Augenblicke, bevor wir durch das Haupttor des Chasen-Anwesens Lyme fuhren, fragte ich mich noch einmal, ob ich wohl drauf und dran sei, mich von dieser fabelhaften kleinen Schwester aus der Fassung bringen zu lassen.
    "Ist Lindsays Freund auch da?" fragte ich in forschendem, schuldersticktem Falsett.
    "Sie haben Schluß gemacht", erklärte Connie. "Lindsay verbraucht einen pro Monat. Sie ist eine Herzensbrecherin." Hmm, dachte ich, zu allem anderen ist die junge Frau auch noch zu haben. Könnte sie wirklich aufregender als Connie sein? Mir schien das kaum glaublich, und doch versuchte ich, mich auf jede Eventualität vorzubereiten. Jede, natürlich bis auf die eine, die an dem frischen, klaren Sonntagnachmittag dann eintrat.
    Connie und ich gingen hinüber zum Grillplatz, wo kräftig geschmaust und getrunken wurde. Ich lernte die Familie kennen, einen nach dem anderen, wie sie zwischen ihren eleganten, reizenden Grüppchen verteilt waren, und obgleich ihre Schwester Lindsay tatsächlich genauso war, wie Connie sie beschrieben hatte - hübsch, offenherzig, eine Freude, sich mit ihr zu unterhalten -, zog ich sie Connie nicht vor. Von den beiden fühlte ich mich nach wie vor von der älteren Schwester weit mehr hingerissen als von der einundzwanzigjährigen Vassar-Absolventin. Nein, die, an die ich an diesem Tage hoffnungslos mein Herz verlor, war keine andere als Connies bezaubernde Mutter, Emily.
    Emily Chasen, fünfundfünfzig, mollig, sonnengebräunt, hinreißendes Pioniergesicht mit straff nach hinten gekämmtem, ergrauendem Haar und runden, üppigen Kurven, die sich in makellosen Wölbungen kundtaten wie bei einem Brandcusi. Die attraktive Emily, deren imposantes unschuldiges Lächeln und ungeheures, aus der Brust aufsteigendes Lachen sich vereinten, um unwiderstehliche Wärme und ein verführerisches Flair von ihr ausgehen zu lassen.
    Was es für Protoplasma in dieser Familie gibt, dachte ich. Welche preiswürdigen Gene! Miteinander harmonisierende Gene obendrein, denn Emily Chasen schien mit mir genauso ungezwungen umzugehen wie ihre Tochter. Sie hatte deutlich Freude daran,
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