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Nebeltod auf Norderney

Nebeltod auf Norderney

Titel: Nebeltod auf Norderney
Autoren: Theodor J. Reisdorf
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Fernfahrer einlassen? Darüber musste sie mit ihrem Mann Johann sprechen.
    Die Theatertruppe gab sich spendabel. Nicht alle tranken Bier. Sie bestellten vom Käsekuchen und von der Rumflockentorte, die der Inselbäcker am Morgen frisch geliefert hatte. Sie besprachen die Termine der Übungsabende und noch anzuschaffende Requisiten.
    Die übrigen Gäste verließen nach und nach das Café. Heide spülte in der Zwischenzeit Geschirr, sah nach dem Hund, der im Schuppen bereits schlief. Die Schauspielertruppe sang zünftig eine liebliche Melodie aus ihrer Produktion und nahm mit Humor den Beifall der Skatspieler entgegen. Sie bezahlten und traten ihren Heimweg an.
    Um 23 Uhr beendeten auch die Herren vom Skattisch ihr Spiel. Sie rechneten ab und verabschiedeten sich.
    Okka Heynen löschte die Lichter und folgte ihrem Mann in das kleine Wohnzimmer, in dem sie sich während der Bedienungszeit erholten.
    Johann Heynen beobachtete seine Tochter, die eine Schüssel mit Gebäck auf den Tisch stellte und den Tee aufgoss. Das war Tradition geworden im Hause Heynen, den Abend in Gemeinschaft miteiner Tasse Tee abzuschließen. Der Tisch war gedeckt mit dem traditionellen Geschirr der ostfriesischen Rose.
    »Heide, warst du mit dem Bauarbeiter aus dem Westdorf noch zu einem Spaziergang unterwegs?«, fragte Johann Heynen und reichte der Tochter die Tasse an.
    Heide schenkte den Tee aus. Das ging ihr jedoch zu weit. Ihr Vater hatte sich im Ton vergriffen.
    »Vater, ich möchte daran erinnern, dass ich in Kürze mein Examen für das Lehramt an Grundschulen ablege. Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig«, sagte sie, goss der Mutter und auch sich den Tee ein und setzte sich auf das Sofa.
    »Vater wollte keine Kritik anbringen«, versuchte die Mutter sie zu beschwichtigen.
    »Der junge Mann heißt Dodo Wilbert. Das Haus, das er gebaut hat, gehört ihm. Er ist strebsam und fleißig. Zudem ist er sehr belesen und gebildet. Das ist alles, was ich bereit bin, zu diesem Thema beizutragen«, antwortete sie schnippisch und trank Tee.
    »Was du nur wieder hast! Papa und ich wollen nur dein Bestes«, sagte die Mutter und knabberte ein Plätzchen.
    Heide lehnte sich zurück und lächelte. »Ich möchte euch nicht zu nahe treten. Aber mit zweiundzwanzig bin ich alt genug, mir meine Freunde selbst auszusuchen«, sagte sie. »Doch da ich euch noch auf der Tasche liege, werde ich mich bemühen, weiter folgsam und dankbar zu sein.« Sie fuhr mit ihrer Rechten dem Papa durch das Haar.
    »Wir machen dir keine Vorschriften. Aber immer mehr Ehen gehen in die Brüche. Resi de Vries hat sich auch von ihrem Chefarzt getrennt. Für achtzig Gäste haben wir die Hochzeit ausgerichtet. Das hat Tini und Albert ein Vermögen gekostet«, sagte Okka Heynen.
    »In einer weißen Hochzeitskutsche! Jetzt hat er eine andere. Die Resi sitzt in Bremen und ist todunglücklich«, sagte Johann und lächelte schadenfroh.
    »Die wollte schon immer hoch hinaus«, warf die Mutter ein, als sei damit die Schuldfrage geklärt.
    »Die Wissenschaftler rechnen damit, dass im Jahre 2006 jede dritte Ehe geschieden wird«, meinte der Vater.
    Sie tranken ihren Tee. Heide schenkte nach.
    »Ans Heiraten denke ich noch nicht. Vielleicht bleibe ich als Lehrerin ledig und hier auf Baltrum«, sagte sie.
    »Das wirst du uns doch nicht antun. Wenigstens einen Enkel erwarten wir, der den Namen Heynen erhält und weitergibt«, sagte der Vater.
    »Heide hat noch Zeit. Sie muss nicht den Erstbesten nehmen. Unsere Aussteuer kann sich sehen lassen«, warf die Mutter ein.
    Es war gemütlich im kleinen Wohnzimmer. Neben der bequemen Sitzecke trugen zwei alte Ölgemälde des Inselmalers Focke Foppen, eine Eichenanrichte und eine Fernsehecke dazu bei.
     
    Bisher hatten sie ganz selten das Thema Hochzeit angeschnitten oder diesbezügliche Andeutungen gemacht. Für Heide stand fest, dass sie, wenn überhaupt, spät heiraten würde. Schuld an diesem Gerede hatte Dodo Wilbert, der hier aufgekreuzt war und keinen Hehl aus seiner Absicht gemacht hatte, Heide zu treffen und mit ihr zu plaudern.
    Fast schien es Heide, dass es seit diesem Abend zu ihrer Gewohnheit gehörte, immer wenn sie zuhause auf Baltrum weilte, in ihre elterliche Aufpasserrolle zurückzufallen und sie argwöhnisch auf Schritt und Tritt zu beobachten.
    Heide nahm die Einwendungen nicht sonderlich ernst. Sie traf ihren Bodo eben in Oldenburg. Dann quälte sie kein Misstrauen, wenn er den MAN-Sattelschlepper auf dem Parkplatz vor dem Postgebäude
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