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Nebelgrab (German Edition)

Nebelgrab (German Edition)

Titel: Nebelgrab (German Edition)
Autoren: Barbara Klein
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Vorstellung, selber einmal in einem Altersheim zu wohnen. Ob Martha dort drinnen glücklich war? Ob sie das Gefühl hatte, eine Wohnstätte wie diese zu verdienen, oder ob sie sich einfach in ihr Schicksal ergab? Nachdenklich ging Adrian Richtung Parkplatz.
    Er wollte eines Tages seine eigene Zeitung gründen. Rücksichtslosigkeit und Vehemenz waren seine Begleiter auf dem Weg zu seinen Zielen. Er war es nicht gewohnt, sich umzuschauen, ob er jemanden auf seinem Weg zum Ziel gerammt hatte. In diesem Augenblick aber hatte er das Gefühl, er müsse noch einmal zu Martha und sie fragen, ob er etwas Falsches erwähnt habe. Was für ein Quatsch!, dachte er im selben Moment. Natürlich hatte er etwas gesagt, was sie zutiefst gerührt hat, aber er durfte jetzt nicht weich werden; ein Reporter brauchte Ellenbogen und harte Schuhspitzen. Schließlich durfte sein Ruf als ehrgeiziger Reporter bei der NRW nicht leiden!
    Seine Gedanken wanderten zu dem Abend, an dem er Karla kennengelernt hatte. Er war eine Zeit lang Stammgast in der Düsseldorfer Kneipenszene gewesen, und hatte auch das Brauhaus »Uerige« öfter mit seiner Anwesenheit beehrt. Von dort kannte er Karla Schröder. Sie konnte ungefähr so viel Bier vertragen wie er selbst, war genauso offen, ob’s gefiel oder nicht, sie hatte Ideen und das dazugehörige Geld für einen Unternehmensstart. Das hatte von Anfang an gepasst. Außerdem hatte er ihr gefallen, das war offensichtlich gewesen. Den Altersunterschied hatte Karla ignoriert, und obwohl es ihm nicht behagte, von einer Frau angebaggert zu werden, die doppelt so alt war wie er, hatte er sich auf ein Gespräch eingelassen. Zu verlockend war die Aussicht auf einen Einstieg ins Pressewesen gewesen.
    »Was willst du?«, hatte Karla ihn gefragt, bevor sie ihm den Job zugesagt hatte, »warum meinst du, du bist besser als andere Schreiber?«
    Sie hatte einen großen Schluck Bier genommen, ihre vom Zigarettenqualm tränenden Augen auf ihn gerichtet, die Asche von der Zigarette geschnippt, dem Kellner bedeutet, er möge ein weiteres Alt bringen, obwohl ihr Glas noch halb voll war, mit dem Mann am Nachbartisch geflirtet und gleichzeitig die Lippen rot nachgezogen.
    »Ich schreibe schon lange, ich habe für die Schülerzeitung jahrelang …«
    »Papperlapapp! Ich will nichts von Schülerzeitung hören«, war sie ihm ins Wort gefallen, »ich will wissen, was dich auszeichnet. Warum meinst du, dass du gut bist?«
    Adrian hatte ein paar Sekunden gebraucht, um zu sich selbst zu finden. Er hatte diesen Job gewollt, er hatte diese Chance gespürt. Die Zeiten waren schlecht für Journalisten. Selbst wenn man das Glück hatte, ein Volontariat machen zu dürfen, so bedeutete das nicht viel. Kaum jemand wurde übernommen; es füllte die Vita, immerhin. Und die Erfahrungen konnte einem niemand mehr streitig machen, auch gut.
    »Ich bin gut, weil ich Sinn finde«, hatte er schließlich selbstbewusst geantwortet. Karla hatte dazu geschwiegen, eingehüllt in ihren Zigarettenqualm.
    »Ich finde Sinn, indem ich recherchiere. Ich vermittele den Lesern Interesse an Dingen, von denen sie bis dato keine Ahnung hatten. Ich vermittele das Gefühl, über den Alltag hinauszudenken. Meine gedruckten Zeilen füllen Lücken, spiegeln Teile des Lebens, schaffen Mittelpunkte in Abseitigem!«
    »Hm«, war ihre Antwort gewesen und ihr Blick war wieder zu dem Mann am Nebentisch gewandert. Adrian hatte mit wippendem Bein zugesehen, wie ihre Gedanken scheinbar flatterhaft die kommende Nacht planten. Schließlich war sie aufgestanden, hatte ihm mit den Worten »Komm morgen um zwei in mein Büro!« ihre Visitenkarte hingeworfen, und hatte ihn sitzen lassen. Der Beginn einer fruchtbaren Zusammenarbeit.
    Als unerfahrener Journalist hatte er sich zunächst im Schlepptau seiner versierten Chefin gehalten, war nach und nach selber in die noch viel zu großen Abdrücke seiner Vorbilder getapst, hatte allmählich einen eigenen Stil entwickelt, war sich über seine persönlichen Beweggründe immer mehr bewusst geworden und hatte sich bei der noch gänzlich unbekannten Zeitung einen Platz erarbeitet, den er sich nicht mehr streitig machen lassen wollte. Er konnte mit diesem Job seine Neigung, über aktuelle Themen zu schreiben, und den Wunsch, eine Unternehmensstruktur von der Pike auf mitzugestalten, vereinen.
    Das treibende Gefühl des Sinn-Findens hatte Adrian am Vormittag im Stadtarchiv wieder empfunden, als er nach Skandalen in der jüngeren Süchtelner
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