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Nebelgrab (German Edition)

Nebelgrab (German Edition)

Titel: Nebelgrab (German Edition)
Autoren: Barbara Klein
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nachlässigen Wünschen zu Weihnachten!«
    Ihre Augen blitzten angriffslustig.
    Adrians Ungeduld war schlagartig verschwunden. »Danke, dass ich so viel von deiner Seite geerbt habe, Tante Martha. Ich mag es, wenn die Leute schnell auf den Punkt kommen.« Er grinste. »Na, immerhin denke ich an Weihnachten an dich; das kann sicher nicht jeder hier von seinen Neffen und Enkeln behaupten, oder?«
    Martha setzte ebenso ein Grinsen auf und tätschelte ihm kurz die Wange. »So wie immer, Junge, so wie immer.«
    Adrian ließ es sich gefallen, sagte dann aber: »Da ich sehe, dass es dir gut geht und du deine Zeit mit Weckmannbacken verbringst, können wir uns weitere Höflichkeitsfloskeln sparen.«
    Marthas Grinsen wurde zu einem Lächeln. »Ja, du kommst ganz nach unserem Schlag der Familie.«
    »So ist es. Tante Martha, du kennst doch Konrad Wiedener?« Marthas Lächeln erstarrte einen Moment und ihr Blick verwandelte sich Sekunden später in einen weich fließenden Fluss, der irgendwo in der Vergangenheit seine Quelle hatte. Adrian erkannte mit Erstaunen, dass hinter dieser alten Fassade aus grauen Haaren und Falten noch immer ein junges Mädchen steckte. Gespannt wartete er.
    »Konrad und ich – wir hätten beinahe …«, sie stockte, »ja, Konrad kenne ich. In den 50er Jahren haben wir uns angefreundet. Er ist zu unserem Kreis gestoßen, du weißt schon, Lene, Sophie, Hubert und ich. Er verstand sich gut mit Hubert.«
    »Hubert Becker?«
    »Ja, Hubert Becker. Du kennst ihn, du musstest als Kind öfter mit zum Kaffeetrinken zu Hubert und Käthe, weißt du noch?«
    Adrian wusste es noch, natürlich. Er hatte immerzu still sitzen und die Stunden des Kaffeeklatsches über sich ergehen lassen müssen. Kuchen essen, langweiliges Zeug der Alten hören, höflich die Fragen beantworten und das Tätscheln der Wange ertragen, sich nicht trauen zu fragen, ob er den Fernseher anschalten darf, und hoffen, der Nachmittag gehe schnell um – wie könnte er das vergessen?
    Als Belohnung für sein Durchhalten waren sie dann in den Wald, selten auch schon mal zum Krefelder Zoo und im Winter zur Eishalle nach Grefrath gegangen, wohin er immer einen Freund hatte mitnehmen dürfen. Tante Martha hatte dann an der Bande gestanden oder mit einem Kaffee im Imbiss gesessen, weil sie sich, wie sie immer gesagt hatte, in diesem Leben lieber nicht die Haxen durch solch eine Leichtfertigkeit brechen wollte.
    »Warum fragst du mich nach Wiedener?«, wollte Martha wissen.
    Adrian erzählte von dem Buch und seinem Interview beim Professor.
    »Dann frag ihn doch mal, warum er es nie schafft, die paar Meter von seinem Haus bis hierher zu kommen! – Ach nein, lieber nicht.« Sie fuhr sich mit der Hand über die Augen und wischte die Jugend fort. »Wovon handelt das Buch?«, fragte sie.
    Adrian antwortete: Ich weiß es nicht genau, habe aber einen Verdacht. Es muss irgendetwas mit eigenen Erfahrungen aus den 50er Jahren zu tun haben. Kannst du dir denken, was es sein kann?«
    Marthas Blick war während Adrians Antwort wieder in die Ferne gegangen, und sie sagte für lange Sekunden nichts. Dann rappelte sie sich auf und entschuldigte sich bei Adrian. »Es ist wohl besser, wenn du jetzt gehst. Ich bin müde.«
    »Du siehst nicht müde aus, Tante«, antwortete er verwundert. Er hatte etwas in ihr gerührt, so viel stand fest. Deshalb wollte er weiterfragen, musste mehr wissen. Das Interesse an diesem Professor und seinem Buch verstärkte sich, und er spürte Karlas Atem im Nacken, doch die Audienz bei Martha war rascher beendet, als er sich Fragen überlegen konnte.
    Im Hinausgehen trat er gegen einen der Pfeiler im Foyer und wusste zunächst selber nicht, warum. Er sah den missbilligenden Blick einer rothaarigen Frau und wollte eine patzige Bemerkung machen, unterdrückte diese jedoch, weil er erstaunt seinen Frust über den Misserfolg in der Recherche feststellte. Verschwand damit das rebellische Gefühl, das er bisher gegenüber diesem Auftrag verspürt hatte? Würde er etwa den Erwartungen seiner Chefin entsprechen, wenn er sich in diese Geschichte vertiefte?
    Gleichzeitig läutete ein ganz kleines Alarmglöckchen in seinem Schädel, das ihn warnte, sich nicht persönlich in diese Geschichte verwickeln zu lassen. Bekam er etwa Skrupel wegen seiner Tante? Herrje, warum hatte Karla nicht Frank damit beauftragt!
    Er trat an die frische Luft und blickte noch einmal an der stolzen Fassade des fast hundertjährigen Gebäudes hoch. Ihn gruselte die
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