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Nea - James erzaehlt –

Nea - James erzaehlt –

Titel: Nea - James erzaehlt –
Autoren: Natalie Rabengut
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Mike und ich standen in einer Reihe zwischen den anwesenden Hausdienern und Darstellern; ich schätzte uns insgesamt auf 50, vielleicht mehr. Wie die Gäste hatten auch wir unsere Gesichter hinter schmalen Augenmasken verborgen, die allerdings aus praktischen Gründen von einem Band hinter dem Kopf gehalten wurden. Immer noch beeindruckte mich, wie aufwendig und umfangreich Linnea und Mike das Angebot auf diesem traumhaften Landsitz gestaltet hatten.
    „Denken Sie nur bitte an Eines“, fuhr Linnea fort und hob ein rotes Lederarmband der Menge entgegen. „Diese rote Armband bedeutet, dass die Trägerin beziehungsweise der Träger lediglich in einer beobachtenden Position teilnehmen will oder soll. Respektieren Sie diese Regel. Nun aber genug der vielen Worte: Auf eine wundervolle Zeit!“
    Sofort erklangen dezente Streicher und die Hausangestellten verschwanden in der   Menge, um Getränke zu servieren; leise wurden vereinzelte Stimmen hörbar, die schnell zu Gesprächen anschwollen. Die gesamte Szenerie erinnerte mich an eine Geschichte von Arthur Schnitzler – doch ich war mir sicher, dass der Abend ohne dieselbe verzerrte Moral der Jahrhundertwende verlaufen würde.
    Nachdem ich mich unter die Leute gemischt und einige Minuten lang mit einem Drink in der Hand verstohlen die Anwesenden beobachtet hatte, hörte ich plötzlich eine merkwürdig vertraute Frauenstimme hinter mir sagen: „Was für eine angenehme Überraschung.“ Ich musste mich nicht umdrehen, denn ihr Nachsatz verriet mir sofort, um wen es sich handelte. „Mein Retter in der Not – dich erkenne ich doch auch mit Maske.“
    Mit einem Lächeln wandte ich mich um. „Melanie. Eigentlich hätte ich mir denken können, dass du hierhin unterwegs bist.“ Schnell sah ich auf ihr Handgelenk und stellte fest – zufrieden, das muss ich zugeben –, dass sie kein rotes Armband trug. Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen hatte sie den verstohlenen Blick wahrgenommen, doch sie sagte nichts.
    Stattdessen fragte sie: „Was soll das denn bitte bedeuten?“ Durch ihre Maske   blinzelte sie mich ähnlich kokett an wie schon am Straßenrand, als sie vor mir gekniet hatte. Zum ersten Mal konnte ich sie ausführlicher mustern: Ihre hohen Schuhe brachten sie fast auf meine Augenhöhe, sodass ich dezent in den tiefen Ausschnitt ihres simplen, schwarzen Abendkleides sehen konnte, den ihre offenen Haare umspielten. Sie war noch zierlicher, als ihre schlanken Beine hatten vermuten lassen und sah beinahe zerbrechlich aus.
    „Wohin hättest du wohl sonst fahren sollen in diesem abgelegenen Teil von England?“, fragte ich.
    „Vielleicht bin ich ja nur zufällig hier und weiß gar nicht, worauf ich mich eingelassen habe, weil ich es in meiner unendlichen Naivität für ein gewöhnliches Hotel gehalten habe. Wer weiß das schon?“
    „Und naiv wie du bist, hast du entschieden, einfach zu bleiben.“
    „So ist es.“
    Ich beschloss, sie spielerisch zu provozieren. „Naja, ein wenig unvorsichtig bist du ja schon. Einfach einen Fremden am Straßenrand oral zu befriedigen...“ Mein Satz steckte voller Andeutungen.
    Ohne zu zögern antwortete sie: „Besser so, als dem Fremden zu erlauben, einfach über mich herzufallen, findest du nicht?“ Sie lächelte unter der Maske.
    Ihre Schlagfertigkeit gefiel mir; ich hatte sie von Anfang an richtig eingeschätzt. Sie war eine kluge Frau.
      „Nicht schlecht, nicht schlecht, das muss ich zugeben.“
    „Vielen Dank. Ein echter Gentleman sollte wissen, wann er sich geschlagen geben muss.“ Ihr Tonfall war zufrieden. Sie hob mir ihr Glas entgegen und wir stießen miteinander an. Leise lachend sagte sie: „Auf einen echten Gentleman.“
    Für einen etwas zu langen Augenblick sahen wir uns gegenseitig in die Augen.  
    „Es ist wunderschön, nicht wahr?“, fragte ich schließlich.
    „Absolut! Als ich auf der Internetseite von allem gelesen habe, was es hier angeblich geben soll, habe ich befürchtet, das sei dreiste Übertreibung – aber es gibt sogar noch mehr! Gerade auf dem Weg bin ich an einer Bibliothek vorbeigekommen, die den Namen endlich auch einmal verdient hat: Fast ein ganzer Anbau mit meterhohen, komplett vollen Regalen, nicht nur ein kleines Räumchen mit ein paar Büchern. Schon im Vorbeigehen konnte ich diesen magischen Duft von leicht vergilbten Seiten riechen-“ Auf einmal hielt sie inne. „Verzeihung, manchmal neige ich wohl dazu, etwas zu enthusiastisch zu sein.“
    „Nein, nein, ganz und gar
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