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Nayidenmond (German Edition)

Nayidenmond (German Edition)

Titel: Nayidenmond (German Edition)
Autoren: Sandra Gernt
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auf keinen Fall! Iyen ließ die Waffe fallen, presste seinem Opfer eine Hand auf den Mund, während er mit der anderen den linken Arm des Jungen über dessen Kopf fest umklammert hielt. Rouven riss die Augen auf, schrie erstickt gegen seine Handfläche, versuchte sich aus dem stählernen Griff zu befreien – vergebens. Als der erste Widerstand erlahmte, warf er den jungen Mann auf den Bauch herum, drückte sein Gesicht so in das Kissen, dass seine Schreie ungehört blieben. Rasch knebelte er ihn, nur Augenblicke später waren Rouvens Hände auf dem Rücken gefesselt und seine Beine gebunden. Kurze Kontrolle – alle Knoten saßen fest. Der Gefangene würde sich niemals befreien können, auch wenn Iyen noch einen Finger unter das Seil schieben konnte und deshalb keine Gefahr bestand, dass ihm die Gliedmaßen abgeschnürt oder die Haut wund gerieben wurde. Sie mussten ihn schließlich über eine weite Strecke transportieren – jede unnötige Verletzung würde sie nur aufhalten. Zufrieden rollte Iyen ihn auf die Seite und zückte den Dolch. Panisch starrte der junge Mann ihn an, versuchte stöhnend, ihm zu entkommen, als Iyen ihm ins Haar griff, den Kopf nach hinten zwang und ihm die Klinge an die Kehle setzte.
    „Halt still, falls du leben willst!“, zischte Iyen ihm ungeduldig ins Ohr. Er drückte ihn mit dem freien Arm nieder, um seine Bewegungen kontrollieren zu können. Als Rouven für einen Moment erstarrte, schnitt Iyen ihm blitzschnell in die Haut, ein Stück unterhalb des Kinns. Es war eine oberflächliche Wunde, die nicht einmal eine Narbe hinterlassen würde, doch es genügte, um das starke Schlafgift, in das der Dolch getaucht worden war, wirken zu lassen. Ein gefährliches Gift, an dem das Opfer durchaus sterben konnte. Es gab nichts anderes, was so schnell und zuverlässig wirkte, also nahmen die Oshanta das Risiko hin.
    Rouven erstarrte, schlagartig am ganzen Körper gelähmt. Fasziniert stützte Iyen ihn hoch und beobachtete, wie die Muskeln erschlafften, die hektischen Atemzüge immer flacher wurden, die in Todesangst aufgerissenen Lider erst flatterten, dann zufielen. Nur Augenblicke später lag Rouven in tiefer Ohnmacht wehrlos in seinem Arm. Bewusstlosigkeit und Schlaf interessierten Iyen weitaus stärker als der Tod. Wenn das Herz nicht mehr schlug und die Lungen nicht mehr atmeten, starb ein Mensch, da gab es kein Mysterium. Doch was brachte ihn dazu, einzuschlafen und todesgleich dazuliegen? Was bewirkte dieses Gift im Körper, um stundenlange Ohnmacht zu erzeugen? Wahrscheinlich würde er es nie erfahren. Iyen hob den jungen Mann hoch, einen Arm im Nacken, den anderen in den Kniekehlen, als wäre er ein kleines Kind. Seine Kampfgefährten, Bero und Jarne, nickten ihm zu. Bero, der am Fenster geblieben war, kletterte als Erster wieder den Turm hinab, während Jarne Rouven ein kompliziert aussehendes Geschirr aus schwarzen Lederbändern anlegte. Danach wollte er ebenfalls absteigen, aber Iyen hielt ihn zurück.
    „Sieh nach, ob er in der Truhe dort seine Kleidung aufbewahrt, falls ja, nimm etwas für ihn mit.“ Jarne nickte und folgte, ohne nachzufragen, obwohl er der Führer ihrer kleinen Gruppe war. Er wusste, dass ein nackter Körper auf einem Pferd schwerer zu handhaben war; glatte Haut war nun einmal rutschig. Rouven besaß wunderbare Haut, samtig weich über den harten, schlanken Muskeln ...
    Der Mond, der heute einen seltsam grünlichen Schleier trug, erhellte die Nacht. Das war gefährlich; nicht auszuschließen, dass einer der müden Wächter doch einmal nach oben blicken und sie sehen würde. Nun, das wäre dann sein Todesurteil. Jarne huschte an ihm vorbei, nachdem er mehrere Kleidungsstücke in dem Beutel auf seinem Rücken verstaut hatte, in dem er seine Ausrüstung trug. Lautlos und rasch kletterte er in die Tiefe. Iyen prüfte, ob die Knoten des Geschirrs festsaßen, dann ließ er Rouven hinab. Die Seile, die mit dem Ledergurt verbunden waren, hatte Jarne am Bettpfosten befestigt. Iyen justierte sie so, dass er den Bewusstlosen schnell herab lassen konnte, ohne ihn mit dem Kopf gegen den Turm zu pendeln, was schwere Verletzungen zur Folge gehabt hätte. Ein kurzer Ruck war das Zeichen, dass ihre Beute sicher angekommen war; Iyen löste die Seile, warf sie hinab und eilte dann selbst zurück in den Hof, jeden Spalt im Mauergestein nutzend. Jeder Oshanta konnte im Dunkeln klettern wie eine Katze, sie lernten es von frühester Kindheit an. Seine Gefährten hatten auf ihn gewartet.
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