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Nayidenmond (German Edition)

Nayidenmond (German Edition)

Titel: Nayidenmond (German Edition)
Autoren: Sandra Gernt
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Er übernahm wieder den Körper des jungen Mannes, gemeinsam erklommen sie die Palastmauer. Die gesamte Entführung hatte keine Viertelstunde gedauert und war anscheinend unbemerkt geblieben.
     

Als die Sonne aufging, hatten die Drei bereits die Stadt verlassen und ihre Pferde erreicht. Es war geplant, in etwa vier Tagen am Bestimmungsort anzukommen. Mit Beros Hilfe zog Iyen dem Prinz Hose und Hemd über, fesselte ihm dann erneut die Hände, diesmal vor der Brust. Er verkniff sich ein Seufzen, als Jarne ihn mit einem Wink dazu aufforderte, Rouven zu sich in den Sattel zu nehmen und damit noch länger die Verantwortung für ihn zu tragen, von seinem Gewicht ganz zu schweigen. Zum Glück hatte er wenigstens einen dieser teuren Sättel der Steppenvölker, die breit genug waren und sogar Steighilfen besaßen, in die man die Füße setzen konnte. So etwas gab es noch nicht lange, eine wertvolle Erfindung!
    Sie nahmen bei Entführungen stets nur dann ein weiteres Pferd mit, wenn das Opfer ein schwerer oder sehr großer Mann war, weil jedes zusätzliche Tier höhere Kosten, Verantwortung und mögliche Behinderung durch Verletzungen bedeutete. Iyen hasste dieses Gebot der Ältesten, es war seiner Meinung nach unsinnig. Ein Pferd mit zwei erwachsenen Reitern zu belasten, egal wie schlank und klein der Entführte sein mochte, war wesentlich riskanter. Doch er war ein Oshanta und gehorchte, wie es von ihm verlangt wurde. Warum allerdings immer er dazu verdammt wurde, ihre Opfer zu tragen – zumeist, wenn sie bereits tot waren – wusste er beim besten Willen nicht. Eines wusste er aber mit Sicherheit: Es würden mühsame Tage und Nächte werden, die ihnen bevorstanden, deutlich anstrengender als die Entführung selbst. Sie mussten nicht oft einen Gefangenen versorgen, ihn still und lebendig halten, und noch seltener über einen so langen Zeitraum hinweg.
    Schade, dass man das Schlafgift nicht häufiger anwenden kann, ohne ihn umzubringen … falls er dieses Mal überlebt.

 
    Sie waren den ganzen Tag geritten, hatten lediglich für die Pferde einige kurze Pausen eingelegt. Der Gefangene war irgendwann mittags erwacht, beinahe wäre er erstickt, als er sich übergeben musste. Da trug er noch den Knebel, von dem Iyen ihn gerade noch rechtzeitig befreien konnte, als er spürte, wie der junge Mann, der quer vor ihm im Sattel hing, zu krampfen begann. Von da an hatte Rouven sich beinahe stündlich übergeben, bis er nur noch blutigen Schaum spuckte. Gleichgültig, ob Iyen ihn über den Pferderücken legte oder aufrecht sitzen ließ, es wurde erst gegen Abend ein bisschen besser. So ging es häufig mit diesem Schlafgift, viele Menschen reagierten empfindlich darauf. Es war aber nun einmal das effektivste Mittel, darum verzichtete die Bruderschaft nicht darauf. Sie waren Mörder. Wer sie bezahlte, ein Opfer lebendig zu überbringen, musste wissen, dass die Oshanta weder Vorsicht noch Bedachtsamkeit kannten. Am besten wäre es gewesen, den Prinz irgendwo still liegen und ausruhen zu lassen. So viel Rücksicht gab der Zeitplan nicht her, also ritten sie, wenn auch langsam, weiter. Es war eine schwierige Entscheidung: Ließen sie ihn zu Kräften kommen, würde er überleben, aber sie kämen zu spät ans Ziel. Ritten sie weiter, war es wahrscheinlich, dass er starb. Ihr Auftrag war bereits jetzt gescheitert, sie wussten es.
     
    Iyen war froh, den jungen Mann endlich loszuwerden, als sie lange nach der Abenddämmerung begannen, sich ein Nachtlager zu richten. Rouven hatte ihm stundenlang halb bewusstlos im Arm gehangen, stöhnend vor Schmerz und Übelkeit. Auf Dauer wurde selbst ein schlanker Körper schwer, und sogar für einen Oshanta lästig.
    „Bring ihn zum Fluss, er muss trinken, sonst überlebt er den morgigen Tag nicht. Nun gut, er schafft es wohl sowieso nicht“, sagte Jarne und fuhr sich über das kurze blonde Haar. Iyen unterdrückte den Impuls, ihm dieses kaltschweißige Bündel Elend vor die Füße zu werfen, mit einem Mach es selbst, ich hatte schon den ganzen Tag das Vergnügen , um dann gemütlich für die Pferde zu sorgen. Doch ein Oshanta jammerte nicht, und Jarne war der Anführer dieser Mission. Iyen war ihm zu bedingungslosen Gehorsam verpflichtet. Also neigte er ergeben den Kopf und nahm sich mit einem Finger den Griff der Laterne, die Bero ihm entzündet hatte und hinhielt. Er sagte nichts von seiner Erschöpfung und Verärgerung, sondern schleppte stumm den leise wimmernden Prinzen, für den leider keine
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