Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Naturgeschichte(n)

Naturgeschichte(n)

Titel: Naturgeschichte(n)
Autoren: Josef H Reichholf
Vom Netzwerk:
Ganz entsprechend locken auch Blüten mit auffälligen, sich klar vom Hintergrund unterscheidenden Farben die Insekten an. Viele Blüten strahlendem dementsprechend UV-Licht zurück, das dann nur die Insektenaugen sehen, wir aber nicht. Für unsere Augen auffällig rote Blüten locken zur Bestäubung Vögel an, weil diese ganz ähnlich wie wir das Rot sehen. Die an Blütenpollen interessierten Insekten hingegen nehmen Rot als Schwarz wahr. Solche Blüten liefern vornehmlich Nektar, leisten sich aber keinen Überschuss an Pollen. Wo Pollen in Massen produziert wird, sind die Blüten leuchtend Gelb. Denn Gelb zieht Insekten am stärksten an.
    Eine bunte Vielfalt tut sich buchstäblich auf, wenn wir ins Reich der Blütenfarben und der Insekten hineinblicken. Sie verraten uns mit ihrem Verhalten, warum wir auch die Blütenform so sehr schätzen, nicht allein die Farbe. Nirgendwo sonst spielt die Symmetrie äußerlich eine so wichtige Rolle wie in den Blüten. Sie sind strahlenförmig aufgebaut mit einem klaren Zentrum, zu dem die Insekten hingezogen werden sollen, um die Bestäubung zu vollziehen, oder zweiseitig symmetrisch mit verborgenem Nektar, der nur auf bestimmten Wegen erreicht werden kann.
    Die ungestörte Symmetrie der Blüten drückt aus, dass sie jung und gesund sind, sich also in der richtigen Form entwickelt und entfaltet haben. Die Symmetrien sprechen uns an, weil sie auch in unserem Leben von größter Bedeutung sind. Leben soll ohne Unregelmäßigkeiten entstehen und störungsfrei bleiben. Hat es Entwicklungsstörungen gegeben, sind die davon Betroffenen mit Fehlern behaftet. Kommen Störungen im Lauf des Lebens auf uns zu, erkranken wir.
    Vollkommene Symmetrien nehmen wir gefühlsmäßig als Ausdruck von Gesundheit wahr – wie frische Farben auch. Deshalb schätzen wir Blumen so sehr und viel mehr als grüne Pflanzen, obwohl diese das Raumklima eher verbessern als Blumensträuße. Und wir lieben Blumen offenbar schon sehr lange – denn schon die Neandertaler gaben ihren Toten Blumen mit ins Grab.

Der Kontinent
der Meerschweinchen
    Warum hat Südamerika
nur kleine Großtiere?

    Es fällt auf, dass es in Afrika, Asien und Nordamerika einen beeindruckenden Reichtum an großen Säugetieren gibt, nicht aber in Südamerika. Zwei Arten von Tapiren, nur wenig größer als Wildschweine, und Kleinkamele, die man umarmen könnte, sind die größten Wildtiere; der Jaguar als Katze kaum kleiner. Ansonsten kommen nur vergleichsweise kleine Säugetiere vor. Das ist besonders faszinierend angesichts der Tatsache, dass Südamerika ansonsten fast nur Superlative bietet: die reichhaltigste Vogelwelt, den größten tropischen Regenwald, mit dem Amazonas den mit Abstand gewaltigsten Fluss der Erde, die größte Riesenschlange, die Anakonda, und mit weit über 300 Millionen – das stimmt besonders nachdenklich – den größten Bestand an Rindern. Global gesehen weidet jedes vierte Rind gegenwärtig in Südamerika. Doch vor Ankunft der Europäer war Südamerika, so könnte man es überspitzt sagen, der Kontinent der Meerschweinchen.
    Dabei gedeihen die von den Europäern mitgebrachten Säugetiere, vor allem die Rinder und die Pferde, in Südamerika durchaus, und es stellt sich die Frage, warum es dann von Natur aus nicht ähnliche, ihnen entsprechende Tiere gegeben hat.
    Wäre Südamerika nicht tauglich für die Säugetiere aus anderen Kontinenten, könnten wir direkt nach dem Grund suchen. Aber nahezu alle Arten, die nach der europäischen Besiedelung eingeführt wurden, entwickelten sich prächtig. Sogar Hasen und Hirsche ganz unten am südlichen Ende Südamerikas. Auch Biber wurden erfolgreich eingebürgert. Pferde überlebten ohne Schwierigkeiten, wo man sie freiließ. Die Pampa ist ein gutes natürliches Grasland. Die Gaucho-Romantik steht jener der Cowboys von Nordamerika in nichts nach. Manchmal könnte man meinen, die Rinder gehörten von Natur aus zur Pampa, denn es gibt sogar Vögel, die ihnen die Zecken aus der Haut zupfen. Aber woher kannten die auf Deutsch so unschön Madenhacker-Kuckucke genannten Vögel die Technik, wenn es doch vor der europäischen Besiedelung noch gar keine von Zecken geplagten Rinder auf der Pampa gab? Das sind harte Nüsse für uns Biologen.
    Die Einführung von Säugetieren aus der Alten Welt entsprach einem Großexperiment mit der Natur Südamerikas.
    Und es ist gelungen! Die neuen Säugetiere verdrängten keine der vorher vorhandenen einheimischen. Solche Typen fehlten einfach in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher