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Naturgeschichte(n)

Naturgeschichte(n)

Titel: Naturgeschichte(n)
Autoren: Josef H Reichholf
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frieren, aber eine Belastung, wenn die Umgebung sehr warm ist. Deshalb lohnt sie sich am meisten in den Gebieten mit sogenanntem gemäßigtem Klima, wo aufgrund von Winter und kühlen Nächten die Durchschnittstemperaturen um 15 bis 20 Grad Celsius unter der Temperatur liegen, bei der ohne körperliche Anstrengung ein Ausgleich zwischen der inneren Wärmeerzeugung und der Außentemperatur zustande kommt. Bei uns Menschen liegt diese Temperatur bei 26 bis 28 Grad Celsius, also rund zehn Grad unter unserer normalen Körpertemperatur. Wird unsere Umgebung kälter, müssen wir » nachheizen«, also zusätzliche Wärme durch Bewegung oder Arbeit erzeugen oder uns entsprechend dicker bekleiden. Steigt die Außentemperatur über den Neutralwert, kühlt der Körper automatisch mit Schwitzen. Eigentlich sollte daher der Nullwert für unsere Thermometer auf 27 Grad Celsius festgelegt werden. Was darunter fällt, geht ins Minus, was darüber ansteigt, ins Plus.
    Die zusätzliche Körperwärme wirkt sich besonders dann günstig aus, wenn es kühl geworden ist. Richtige Kälte überstehen wir aber nur mit dicker Kleidung und besonderer Isolation nach außen. Wir Menschen sind einzigartig in der Fähigkeit, uns mit Kleidung ganz nach Bedarf warm halten zu können. (Andere Säugetiere und die Vögel können nicht einfach Fell und Federn zwischen Tag und Nacht wechseln oder sich aus- und anziehen, wie es gerade passt.)
    Gleichzeitig bringt die hohe Körpertemperatur einen weiteren unschlagbaren Vorteil. Schauen wir daher als Nächstes in die Tropen: Dort leben Reptilien unterschiedlichster Größe – von kleinsten Echsen bis zu Riesenschlangen und gewaltigen Krokodilen. Sie brauchen keine Zusatzheizung, aber den Säugetieren und den Vögeln sind sie dennoch nicht überlegen. Deren Vorteil liegt nämlich darin, dass sie entweder wie sehr viele Säugetiere, vor allem solche mit hoher Körpertemperatur, schnell und gut zu Fuß sind oder, wie die meisten Vögel, fliegen können. Flugunfähige Vögel, wie etwa Strauße, laufen so schnell wie Rennpferde. Die hohe Körpertemperatur der Säugetiere und der Vögel hat ihre Leistungsfähigkeit gesteigert, sogar in den dauerwarmen Tropen. Sie sind auch in dieser Umwelt den Echsen und Schlangen und selbstverständlich den langsamen Schildkröten haushoch überlegen. » Immer schneller, immer höher, immer weiter«, so könnte das Motto dieser Leistungsträger in der Evolution der Wirbeltiere lauten. Wie auch beim Menschen und seiner Technik.
    Im Zeitalter der Reptilien hieß das Motto hingegen » größer, größer, immer größer«. Die gigantischen Kolosse, die dabei entstanden, waren natürlich keine Sprinter – und auch keine Denker. Denn das Gehirn verbraucht, wie oben bereits angemerkt, außerordentlich viel Energie, und zwar umso mehr, je größer es im Verhältnis zum Körper ist. Es funktioniert dann am besten, wenn es beständig auf optimaler Temperatur gehalten wird. Die innere Wärmeerzeugung garantiert das. Ein warmes Innenleben und ein leistungsfähiges Gehirn hängen also unmittelbar miteinander zusammen.
    Die Säugetiere und die Vögel entwickelten zunehmend größere und bessere Gehirne. Und das von Anfang an. Und dieser Anfang fand mit dem Erdmittelalter bereits in einer Zeit statt, in der das eigentliche Zeitalter der Dinosaurier erst im Kommen war. Damals bildeten die Kontinente eine riesige zusammenhängende Masse, und die Erde war viel wärmer als heute. Das kam den Reptilien zugute. Die zunehmende Körpergröße verringerte die nächtlichen Wärmeverluste, sie machte aber zwangsläufig langsamer.
    Der berühmt-berüchtigte Tyrannosaurus Rex wäre für einen Hund keine Gefahr gewesen. Der Riese war einfach viel zu langsam. So wie heutzutage jede Gazelle einem Elefanten mühelos davonläuft, hätten flinke, warmblütige Tiere dem Giganten der Dinosaurierzeit leicht entkommen können. Das mag eine entscheidende Rolle gespielt haben, vor allem bei der Entstehung der Vögel. Denn sie sind als Seitenzweig der Dinosaurier tagaktiv, während Säugetiere viel stärker auf das Leben in der Nacht eingerichtet sind. Stark vereinfacht lässt sich das so ausdrücken: Die sich langsam entwickelnden Säugetiere wurden dank zunehmender innerer Wärmeerzeugung immer ausgeprägter dämmerungs- und nachtaktiv, während den Vögeln die Innenwärme das Abheben und den aktiven Flug ermöglichte. Sie gelangten mit sich allmählich verbesserndem Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag in
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