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Naturgeschichte(n)

Naturgeschichte(n)

Titel: Naturgeschichte(n)
Autoren: Josef H Reichholf
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den Steppen und Wäldern dieses Kontinents. Ihre Plätze waren nicht besetzt.
    Aber die Feststellung, dass Kuh und Pferd, Hirsch und Hase fehlten, ist nur zum Teil richtig. Denn es gibt andere Arten von Hirschen kleiner und mittlerer Größen in Südamerika und hasenartige Meerschweinchen, die Maras, die auch Pampa-Hasen genannt werden. Von Pferden sind Fossilien gefunden worden, die beweisen, dass sie, allerdings vor über zwei Millionen Jahren, bereits in Südamerika lebten. Diese Pferde gehörten zu einer anderen, inzwischen ausgestorbenen Art. Rinder gab es allerdings nie, bevor die Europäer sie mitbrachten. Es muss also andere Gründe dafür geben, dass die Säugetiere Südamerikas so klein geblieben sind. Diesem Rätsel auf die Spur zu kommen, ist deswegen so schwer, weil wir meinen (auch wir Biologen machen da meistens keine Ausnahme), dass alle Lebewesen im Haushalt der Natur seit jeher ihren ganz bestimmten Platz haben. Dabei wird vergessen, dass alles eine Geschichte hat. Nicht nur in der Menschenwelt, sondern auch in der Natur. So, wie sie gegenwärtig aussieht oder ausgesehen hat, bevor sie von den Menschen verändert worden ist, war die Natur keineswegs schon immer. Im Gegenteil: Es gab in der Vergangenheit gewaltige Veränderungen. Ihr Ausmaß können wir uns heute kaum noch vorstellen.
    Eine solche Veränderung fand vor zweieinhalb bis drei Millionen Jahren statt. Damals erhoben sich mit gigantischen Vulkanausbrüchen zahlreiche Inseln aus dem Meer zwischen dem heutigen Mexiko und der Nordspitze des südamerikanischen Kontinents. Eine Landbrücke zwischen Nord- und Südamerika bildete sich aus. So entstand der Doppelkontinent Amerika. Seine beiden Teile gehören eigentlich gar nicht zusammen. Nordamerika war mit Nordostasien verbunden, Südamerika aber war mehr als 50 Millionen Jahre lang eine Insel; eine Rieseninsel, eine Welt für sich. In dieser langen Zeit entwickelten sich Flora und Fauna sehr eigenständig. Vor allem die Säugetiere bildeten drei Gruppen, die es sonst nirgends gab, nämlich die gepanzerten Gürteltiere, die trägen Faultiere und die merkwürdigen Ameisenbären, die sich hauptsächlich von Termiten ernähren.
    Eigenständig verlief auch die Entfaltung der Affen, die Südamerika gerade noch erreicht hatten, bevor es sich von Afrika trennte und zur Insel wurde. Breitnasenaffen nennen wir sie, um sie von den Schmalnasenaffen der Alten Welt zu unterscheiden. Mehrere Vertreter dieser südamerikanischen Affen entwickelten ihren langen Schwanz zu einer fünften Hand, mit der sie äußerst geschickt im Gezweig der Bäume klettern können.

    von links nach rechts:
Jaguar, Tapir, Cabybara (Wasserschwein)
    Bezeichnender als das Äußere ist aber das Innenleben der südamerikanischen Säugetiere. Ihr Stoffwechsel läuft beträchtlich langsamer als im Rest der Welt üblich. Bei Faultieren ist er nur etwa halb so schnell wie bei anderen Säugetieren ihrer Körpergröße, bei den Ameisenbären und Gürteltieren nur unwesentlich schneller, und beim Riesengürteltier verläuft er so langsam, dass kaum noch ein Unterschied zu einem großen Reptil besteht.
    Selbst bei den Affen liegt die Stoffwechselintensität um 20 Prozent niedriger als bei ihrer altweltlichen Verwandtschaft. Und das hatte gravierende Folgen. Als nämlich die Landbrücke zwischen Nord- und Südamerika fertig war, strömten Säugetiere aus Nordamerika hinein in den Südkontinent. Natürlich hätten auch südamerikanische Säugetiere in den Norden ziehen können. Das schafften aber nur sehr wenige. Umgekehrt zogen aber so viele » Nordtiere« gen Süden, dass seither rund die Hälfte der südamerikanischen Säugetierwelt nordamerikanischen Ursprungs ist.
    Auch die Vogelwelt entfaltete sich immens und wurde durch diesen größten interkontinentalen Austausch die reichhaltigste überhaupt. Heute lebt fast jede dritte Vogelart der Erde in Südamerika.
    Es gab durchaus auch große Säugetiere in Südamerika – aber in Form von Riesenfaultieren und Großformen aus der weiteren Verwandtschaft der Gürteltiere. Sie hatten die Größe von Bären. Einige Vertreter dieser Säugetiere waren sogar noch beträchtlich größer. Aber sie starben aus, als gegen Ende der letzten Eiszeit auch Menschen, die Vorfahren der Indios, nach Südamerika einwanderten. Viele Wissenschaftler meinen, dass diese Großtiere von den Menschen ausgerottet wurden. Aber es gilt zu bedenken, dass die bereits erwähnte Pferdeart, die einst auch den Weg über die neue
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