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Nathanael

Titel: Nathanael
Autoren: K Landers
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jetzt, kurz vor dem Ziel, konnten sie es sich nicht leisten, sich durch Privates ablenken zu lassen und nachlässig zu werden.
    Das konnte sie sich hingegen bei ihrem verwegenen Gegenüber irgendwie nicht vorstellen. Er nahm sich, was er wollte und wann er es wollte. Wie mochte es sein, von ihm geküsst zu werden?
    Der Fremde grinste anzüglich, als hätte er ihre Gedanken schon wieder erraten.
    Tessa fühlte sich wie ertappt und erschrak über ihre Fantasie. Sie ärgerte sich, weil er sie derart durcheinanderbrachte.
    Um seinem Blick zu entgehen, zog sie ihre Kapuze über den Kopf.
    Die Lautsprecheransage kündigte die Einfahrt der nächsten U-Bahn an. Sekunden später rauschte sie ein und hielt mit einem durchdringenden Quietschen. Türen öffneten sich, Leute stiegen aus und ein und drängten sich an ihr vorbei. Dann schlossen sich die Türen, und die Bahn fuhr mit einem leisen Summen wieder an.
    Erst als die roten Rücklichter im Tunnel verschwanden, wagte Tessa zum gegenüberliegenden Gleis zu sehen. Der Fremde war fort und sie atmete auf. Doch seine Aura schien weiterhin wie eine unsichtbare Wolke über ihr zu schweben.
    Tessa war froh, als auf dem Bildschirm endlich ihre eigene Bahn angekündigt wurde.
    Direkt vor ihr wirbelte eine schwarze Feder durch die Luft, die sie mit einer Hand fing. Federn in U-Bahn-Stationen waren nichts Ungewöhnliches, denn die Tunnel boten Tauben ideale Brutplätze. Aber diese war pechschwarz und unterschied sich von denen, die man sonst sah, denn sie besaß keinen festen Federkiel.
    Nachdenklich drehte Tessa sie zwischen den Fingern. Sie war weich, mit langen strahlenförmigen Federästen wie eine Daune. Ein seltenes Souvenir.
    Sie stopfte die Feder hastig in ihre Handtasche, bevor sie in ihre Bahn stieg. Bis zum Ausstieg an der Wall Street waren es etliche Stationen. Die Fahrzeit überbrückte Tessa stets mit Lesen. Sie zog einen Krimi aus der Handtasche und blätterte. Aber heute versagte ihre Konzentration.
    Sie hatte mittlerweile etliche Sätze mehrmals gelesen, ohne den Inhalt zu verstehen. Die Zeilen verschwammen vor ihren Augen, und sie klappte das Buch wieder zu.
    Dieser Fremde ging ihr einfach nicht aus dem Sinn. Ach, was nützte es, noch irgendeinen Gedanken an ihn zu verschwenden. Sie würde ihn bestimmt nie mehr wiedersehen. New York war keine Kleinstadt, in der man sich an jeder Ecke über den Weg lief.
    An der nächsten Haltestelle stieg ein ganzer Schwung Fahrgäste aus und der Platz ihr gegenüber wurde frei.
    Kräftige Beine in einer schwarzen Hose schritten durch den Gang. Tessa sah auf und erstarrte, als sie den Fremden erkannte, der auf den freien Platz zusteuerte. Das Buch entglitt ihren Händen und polterte auf den Boden, direkt vor seine Füße. Sie ärgerte sich über ihre Ungeschicklichkeit.
    Er bückte sich und reichte es ihr. Aus der Nähe wirkte er noch beeindruckender.
    «Danke», sagte sie mit heiserer Stimme. Er lächelte freundlich. Für ihren Geschmack nach der Begegnung am Gleis zu freundlich. Wie ein Wolf im Schafspelz.
    «Gern geschehen.» Die tiefe, samtige Stimme brachte sie wie eine Stimmgabel zum Vibrieren. Genau so hatte sie sich diese vorgestellt. Sie passte zu ihm.
    Als er sich setzte und sein Knie dabei gegen das ihre stieß, schnellte ihr Puls in die Höhe. Bestimmt nur, weil sie es grundsätzlich nicht mochte, von einem Fremden berührt zu werden, selbst wenn er noch so attraktiv war. Zugegeben, er war sexy, und in seinem Blick lag etwas Wildes, was manche Frau schwach werden ließe. Aber nicht sie. Männer seines Schlages brachten nur Unruhe in ein geordnetes Leben.
    Dennoch ertappte sie sich dabei, wie sie sein Profil betrachtete. Er besaß seidig schimmernde, schwarze Wimpern, um die ihn jede Frau beneidet hätte.
    Der Kragen seines Hemdes war offen und entblößte an seiner rechten Halsseite eine Tätowierung, nicht größer als ein Dollarstück, ein doppeltes V, das zwei waagerechte Linien durchbrach.
    Von Weitem hätte man es durchaus für ein Victory-Zeichen halten können. Nicht gerade einfallsreich.
    Ihr Blick blieb ihm nicht verborgen. Als er sich ihr zuwandte, glaubte sie in seinem Blick Begehren, aber auch eine aufblitzende Warnung zu erkennen. Diesmal blieben seine Augen fest auf sie gerichtet. Sein Blick tastete sie ab wie ein Scanner, bis er auf ihren Brüsten verweilte, die sich unter ihrer weißen Bluse abzeichneten.
    Heiße und kalte Wellen rollten über ihren Körper. In diesem Moment bereute sie, ihren Mantel
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