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Nathalie küsst

Nathalie küsst

Titel: Nathalie küsst
Autoren: David Foenkinos
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vehementen Glücks auftrat, doch nein, es war etwas anderes, was ihm in diesem Moment zu schaffen machte. Und was ihn zurückhielt. «Was ist denn los?», erkundigte sie sich. Und er erwiderte: «Nichts … nichts … es ist bloß, weil ich zum ersten Mal mit einer verheirateten Frau schlafe.»
     
     
    1 Here, There and Everywhere (1966)

 
7
    Beispiele von dummen Sprüchen, die die Leute so gern hervorbringen
    Auf Regen folgt Sonnenschein.
    Trautes Heim, Glück allein.
    Ein Lächeln ist die kürzeste Verbindung zwischen zwei Menschen.

 
8
    Sie waren in die Flitterwochen aufgebrochen, hatten Fotos geschossen und waren wieder nach Hause gefahren. Nun galt es, den ernsten Teil des Lebens anzugehen. Vor über sechs Monaten hatte Nathalie ihr Studium abgeschlossen. Bis hierher hatte sie die Hochzeitsvorbereitungen als Alibi benutzt, um nicht auf Arbeitssuche gehen zu müssen. Eine Eheschließung ist vergleichbar mit der Regierungsbildung nach einem Krieg. Und was geschieht mit den Kollaborateuren?Die Komplexität des Ereignisses rechtfertigt, dass man sich mit nichts anderem beschäftigt. Na ja, das stimmt so nicht ganz. Vor allem hatte sie Zeit für sich haben wollen, zum Lesen, zum Bummeln, als hätte sie gewusst, dass sie diese Zeit in der Folge nicht mehr haben würde. Dass das Berufsleben von ihr Besitz ergreifen würde, und das Eheleben erst recht.
    Es wurde Zeit, Vorstellungsgespräche zu führen. Nach einigen Anläufen wurde ihr klar, dass die Sache gar nicht so einfach werden würde. Sah so das ganz normale Leben aus? Dennoch war sie der Ansicht, einen allgemein anerkannten Abschluss und die Erfahrung einiger grundlegender Praktika erworben zu haben, eine Erfahrung, die sich nicht darauf beschränkte, zwischen zwei Fotokopien Kaffee zu servieren. Sie war zu einem Bewerbungsgespräch in einer schwedischen Firma verabredet. Zu ihrer Überraschung wurde sie sogleich vom Chef und nicht vom Leiter der Personalabteilung empfangen. Er wollte, was die Anstellung von Mitarbeitern betraf, alles unter Kontrolle haben. So weit seine offizielle Version. Der wahre Anlass war deutlich konkreter: Er war ins Büro des Personalabteilungsleiters gekommen, wo sein Blick auf Nathalies Lebenslauf und ihr Foto gefallen war. Ein ziemlich seltsames Foto: Es erschien ihm nicht wirklich möglich, ihr Äußeres einzuschätzen. Natürlich ließ sich erahnen, dass sie nicht unattraktiv war, doch was die Aufmerksamkeit des Chefs auf sich zog, war etwas anderes. Er hätte es nur schwer in Worte fassen können. Es glich mehr einem Gefühl: Dem Eindruck der Besonnenheit. Genau, das wardie Empfindung, die er hatte. Er fand, diese Frau wirkte besonnen.
    Schwedischer Herkunft war Charles Delamain nicht. Doch man brauchte nur sein Büro zu betreten, schon fragte man sich, ob er, wohl um seinen Beteiligungsgesellschaftern eine Freude zu machen, es nicht darauf anlegte, eine solche anzunehmen. Auf einem Ikea-Möbel stand ein Teller, auf dem ein paar Brötchen lagen, von der Sorte, die viele Krümel macht.
    «Ich habe mir Ihren Werdegang mit großem Interesse angesehen … und …»
    «Ja?»
    «Sie tragen ja einen Ehering. Sind Sie verheiratet?»
    «Äh … ja.»
    Es entstand eine Pause. Charles hatte den Lebenslauf der jungen Frau mehrmals begutachtet, aber dass sie verheiratet war, war ihm nicht aufgefallen. Da sie seine Frage bejahte, warf er einen erneuten Blick auf das Papier. Sie war tatsächlich verheiratet. Als habe das Foto seinen Verstand benebelt und ihm den Familienstand dieser Frau verschleiert. Aber war das letztendlich wichtig? Das Vorstellungsgespräch musste weitergehen, es durfte keine etwaige Verlegenheit aufkommen.
    «Und wollen Sie Kinder haben?», fuhr er fort.
    «Im Augenblick nicht», entgegnete Nathalie, ohne im Geringsten zu zögern.
    Bei einem Einstellungsgespräch mit einer jungen Frau, die gerade geheiratet hat, mag einem eine solche Frage vollkommen normal vorkommen. Doch Nathalie spürte, dass etwas anderes in der Luft lag, hätte allerdings nicht näherbestimmen können, was das war. Charles hatte das Reden eingestellt und starrte sie an. Endlich stand er auf und nahm sich ein Schwedenbrötchen.
    «Möchten Sie ein Knäckebrot?»
    «Nein danke.»
    «Sie sollten eins nehmen.»
    «Sehr freundlich, aber ich habe keinen Hunger.»
    «Sie müssen sich daran gewöhnen. Es gibt hier nichts anderes.»
    «Wollen Sie damit sagen … dass …»
    «Ja.»

 
9
    Manchmal hatte Nathalie den Eindruck, dass die Leute sie um ihr
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