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Nashira - Talithas Geheimnis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Nashira - Talithas Geheimnis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Nashira - Talithas Geheimnis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Autoren: Licia Troisi
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während sie geschlafen hatte: Verba war auf und davon.
    Er hatte alles mitgenommen, was er tragen konnte: In dem Regal in der Eiswand befanden sich nur noch drei Gläser mit Heilkräutern, einige Lebensmittel sowie ein Buch. Wenigstens hat er mir das Schwert dagelassen , dachte sie mit einem bitteren Lächeln. Auf dem Tisch fand sie ein Pergamentblatt; darauf stand, wie und über welchen Zeitraum sie Saiph noch behandeln sollte, und darunter nur die Bemerkung:
    Habe ihn eben noch einmal untersucht. Er wird durchkommen.
    Keine Zeile zu den Gründen für sein Verschwinden, kein Wort, das auf ihr Streitgespräch vom Vorabend Bezug genommen hätte. Still und leise hatte er sich aus dem Staub gemacht, ganz ähnlich wie er damals aus der Festung in Danyria verschwunden war. Er hatte ihnen nur so weit geholfen, wie es für Saiphs Überleben unbedingt notwendig war, dann war er verschwunden.
    Eine blinde Wut überkam sie, und sie knüllte das Blatt zusammen. Nach all den Gefahren, denen sie sich ausgesetzt hatten, um diesen Mann zu finden, ließ er sie im Stich, ohne ihnen auch nur irgendetwas zu erklären. Aber wieso war sie eigentlich nicht aufgewacht, als er in der Höhle seine Sachen zusammengepackt hatte? Er musste ihr ein Schlafmittel in die Suppe getan haben, anders konnte sie sich das nicht erklären. Jedenfalls hatte sie wie eine Tote geschlafen und nichts bemerkt.
    Obwohl sie wusste, dass es keinen Sinn mehr hatte, rannte sie hinaus. Von Verba keine Spur, weder auf der gefrorenen Fläche, die sich vor der Höhle ausbreitete, noch am Horizont. Das Versteck lag an einem steilen Hang der Ausläufer des Eisgebirges, und zu Talithas Füßen breitete sich das Reich des Winters wie eine exakte, fein gearbeitete Landkarte unter der Glocke eines grauen Himmels aus. In der Ferne brannte Orea immer noch. Der Rauch war so dicht, dass er sogar das Geäst des Talareths, der die Stadt überwölbte, durchdrang und immer weiter aufstieg, bis er sich zwischen den Wolken verlor. Talitha musste an all das Elend denken, mit dem sie in den vergangenen Wochen, auf ihrer Wanderung, in Berührung gekommen war. Vielleicht war der Umstand, dass Cetus immer greller wurde und das ewige Gleichgewicht mit seiner Zwillingssonne ganz aus den Fugen zu geraten drohte, nur die Folge dessen, was sich auf der Erde zutrug: Hungersnöte, Gewalttaten, Ausbeutung der Sklaven, all das nahm täglich schlimmere Ausmaße an. Oder war es vielleicht immer schon so gewesen, und sie hatte es nur nicht bemerkt, in ihrem goldenen Käfig, in dem sie am Hof ihres Vaters gelebt hatte?
    Sie schaute sich um und erkannte, dass auch über einigen Ansiedlungen im Umland Rauch aufstieg: Offensichtlich fraß sich das Feuer immer weiter. Ihr zog sich der Magen zusammen. Sie seufzte, und dabei stieg eine dichte, weiße Atemwolke vor ihrem Mund auf. Es war entsetzlich kalt. So kehrte sie in die Höhle zurück und widerstand dem Impuls, Verba zu verfolgen und ihn aufzuspüren, egal wo er sich verstecken mochte. Es war völlig ausgeschlossen, sich mit Saiph auf den Weg zu machen, aber ebenso, ihn allein zurückzulassen. Und außerdem: Selbst wenn es ihr gelänge, Verba wiederzufinden, wie sollte sie ihn dazu bringen, mit ihr gemeinsame Sache zu machen? Wenn es stimmte, was er ihr erzählt hatte, und aus irgendeinem Grund glaubte sie seinen Worten, so unglaublich sie klangen, dann hatte sie nichts in der Hand, was ihn umstimmen würde. Womit sollte man auch einen Mann, der seit Jahrtausenden alles überlebt hatte, beeindrucken?
    Seine Anweisungen auf dem Pergamentblatt waren präzise. Fünf Tage lang befolgte Talitha jeden einzelnen Punkt und zeigte sich als vorbildliche Heilerin. In regelmäßigen Abständen nahm sie Saiph den Verband ab, reinigte die Wunde und behandelte sie so, wie Verba es aufgeschrieben hatte. Dabei wurde der Luftkristall nach und nach immer schwächer. Sie musste daran denken, wie schwierig es gewesen war, diesen Anhänger zu bekommen, und einen Moment lang kam ihr auch Melkise in den Sinn, der Kopfgeldjäger, der sie geschnappt hatte und sie an Megassa ausliefern wollte. Sie fragte sich, was wohl aus ihm geworden war, und aus Grif, dem Fem titenjungen, den er bei sich aufgenommen hatte. Kurz hatte sie auch wieder dessen Augen vor sich, die sie so angsterfüllt angeschaut hatten, während sie ihn mit einem Zauber behandelt hatte. Fast bis zum Tod hatte er gekämpft, um seinem Herrn treu zu dienen. Und Saiph war ihm ähnlich, ihr treuer Freund, der immer noch
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