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Nasenduscher: Roman (German Edition)

Nasenduscher: Roman (German Edition)

Titel: Nasenduscher: Roman (German Edition)
Autoren: Tim Boltz
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Selbstversuch. Was brauche ich Salz oder Meerwasser, wenn ich doch den größten aller heilenden Schätze in mir trage? Ich stehe auf.
    04:05 Uhr: Ich durchsuche meinen bereits gepackten Koffer nach der Nasendusche, öffne schließlich den kleinen Kanister und stampfe dabei ungeduldig den treibenden Rhythmus eines bekannten Gloria-Gaynor-Songs in den PVC -Boden. Wie bei einem afrikanischen Stammesritual beginne ich, mich in Trance zu tanzen.
    04:16 Uhr: Ich öffne meine Hose und lasse dem goldenen Strahl seinen Lauf. Ich fülle die Nasendusche bis zur Markierung am oberen Rand.
    04:17 Uhr: Ich schaue in den Spiegel. Ein leicht apathisch wirkendes Gesicht blickt mir entgegen, das danach lechzt, Freiheit zu atmen.
    »Also dann, Robert«, proste ich mir zu, »du bist so weit. Du befindest dich im Urin-Nirwana.«
    04:21 Uhr: Ich setze das Ventil an mein linkes Nasenloch und öffne es. Im nächsten Moment spüre ich, wie sich etwas angenehm Warmes in meinen Nasengängen ausbreitet.
    04:22 Uhr: Ich flüstere mir selbst Mut zu: »I am what I am.«

52
    Zurück im Glück
    D ie S-Bahn ist gerammelt voll, und der Typ neben mir schwitzt sich seit der Station Sportfeld ins grüne Polstermuster der VGF . Das erste Mal seit gut einer Woche kann ich tagsüber meine große Sonnenbrille abnehmen, ohne dass ich aufpassen muss, dass mich jemand enttarnt, und vor allem: Ohne … dass … ich … niesen … muss!
    Ja, wirklich. Nichts.
    Ich reibe mir die Nase und wische mir mit dem Handrücken über die müden Augen. Doch weder der anstrengende Rückflug noch die gestressten Gesichter um mich herum können mein Glück und meine Freude trüben. Sogar Romeo habe ich aus seiner Reisekiste befreit und streichle ihn zur Beruhigung auf meinem Schoß. Und auch das: ohne jegliche Reaktion seitens meiner Atemwege. Nichts.
    Zuerst konnte ich es kaum fassen, als ich nach Melinda van Carlsons Therapieempfehlung am nächsten Morgen zwar mit einem leichten Uringeruch in der Nase aufwachte, dafür aber endlich mal wieder so richtig Luft holen konnte. Beinahe hätte ich noch das Ausschiffen verpasst, so gut und tief habe ich geschlafen. Praktisch über Nacht war ich genesen. Kein Rasseln aus meiner Lunge, kein Pfeifen beim Atmen, keine Niesattacke. Selbst als Romeo um meine Beine strich, verspürte ich keinerlei Kribbeln in Nase oder Rachen. Ich wiederholte das Experiment mit einem Schuss morgendlichen Mittelstrahls und weinte beinahe vor lauter Glück.
    Nichts.
    Nichts.
    Nichts.
    Nun rattert die Bahn die letzten Meter bis in unser Viertel. Wenn alles planmäßig abläuft, habe ich noch einen halben Tag Zeit, bis Jana aus Schanghai zurückkommt. Ich muss vorher aber noch unbedingt die Gläser bei Hubsi abholen, die Koffer auspacken und die Klamotten in den Schrank räumen. Ich schaue zum Fenster hinaus und sehe die Häuser an mir vorbeifliegen. Im Mülleimer steckt ein Flyer, auf dessen Rand ich lesen kann: »Zeigen Sie Ihren Lieben Ihre schönsten Urlaubserlebnisse.« Ich fingere ihn hervor: Fotos: Für die schönsten Erinnerungen des Jahres. »Wir bieten neben Porträtshoots auch Reisefotografiebearbeitung. Senden Sie uns Ihre schönsten Urlaubsbilder, und wir bearbeiten sie Ihnen.
    AngelaKropp-Photography.de«
    Hm, diese Frau hat recht. Um die Illusion zu perfektionieren, sollte ich einige Beweisfotos schießen. Damit könnte ich alle möglichen Zweifel ausräumen.
    Also steige ich in der Innenstadt an der Hauptwache aus und besorge mir eine überteuerte Einweg-Kamera in einem Touristenshop. Es folgen spontane Fotoshoots mit mir und Romeo am Römer, am Mainufer sowie auf der Aussichtsplattform des Maintowers mit dem Hintergrundpanorama der Skyline. Alles, was man in einer gemeinsamen Woche Frankfurt nun mal so erlebt. Perfekt!
    Im Anschluss statte ich Hubsi noch einen kurzen Besuch ab, um meine Gläser abzuholen. Er wohnt noch immer in Bockenheim. In dem Haus, in dem ich lange Zeit sein Nachbar war.
    Ich klingele, und der Türsummer ertönt. Hubsi erwartet mich bereits in seinen Bademantel gehüllt in der Eingangstür.
    »Hallo, Hubsi.«
    »Ja, Robert. Hawe d’Ehre. Schaust jo wieder ganz passabel aus. Kumm eini.«
    »Ja, danke.«
    »Wia a gsunder Mensch. Ma hod ja meinen können, du host a Schlagerl ghabt.«
    »Ein Schlagerl?«
    »Na, einen Schlaganfall.«
    »Dann sag das doch auch.«
    »A geh. Sag, wos host da für a Viecherl dabei?«
    »Das ist Romeo. Eine lange Geschichte, Hubsi.«
    Wir trinken Tee, und ich erzähle Hubsi die ganze Geschichte.
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